August 2022 Engelwurz

ECHTE ENGELWURZ

Angelica archangelica L.

Die Heimat der Echten Engelwurz liegt im Norden Europas. Die südlichsten natürlichen Standorte erreichen den Bereich der Donau. In Kulturen gedeiht die Engelwurz auch in unseren Breiten.

Entsprechend der vielfältigen Anwendung in der Vergangenheit wurden der Engelwurz auch viele weitere Namen gegeben; so finden wir für sie Bezeichnungen wie Pestwurz, Theriakwurz, Brustwurz, Heiliggeistwurz, je nach ihrer bevorzugten Verwendung. Zur Anwendung kommt und kam diese Heilpflanze in der Volksmedizin und auch in der modernen Phytotherapie, zum Schutz vor einer Pesterkrankung bis hin zum bitter-aromatischen Therapeutikum im Verdauungstrakt.

Im Alpenraum ist oft die Wilde Engelwurz oder Wald-Engelwurz – Angelica sylvestris L. zu finden. Sie erreicht eine Höhe von mehr als einem Meter und ist damit ein attraktiver Doldenblütler in der Landschaft; diese Art hat aber in der medizinischen Anwendung keine Bedeutung.

MEDIZINISCHE VERWENDUNG

Anerkannt wurden die Wirkungen dieses aromatischen Bittermittels bei verschiedenen Erkrankungen oder Befindlichkeitsstörungen. So gibt es gute Erfahrungen bei der Behandlung dyspeptischer Beschwerden, die sich in leichten Bauchkrämpfen, Verdauungsbeschwerden, Blähungen, Völlegefühl und Appetitlosigkeit äußern.

Die Verwendung in der Volksmedizin deckt sich ziemlich mit den medizinisch anerkannten Anwendungen, die erweitert werden durch den Einsatz als schleimlösendes oder harntreibendes Mittel, bei nervös bedingten Schlafstörungen oder zur Regulierung des weiblichen Zyklus.

Das ätherische Öl soll in größeren Dosen nicht innerlich angewendet werden; äußerlich bewährt sich seine Anwendung in hautreizenden oder schmerzstillenden Einreibungen oder Bädern.

WEITERE MÖGLICHKEITEN DER VERARBEITUNG:

Neben der arzneilichen Verwendung der Angelikawurzel wird diese auch in Kräuterschnäpsen, Likören und anderen Digestiva (verdauungsfördernden Zubereitungen) verarbeitet; aber auch zum Würzen von Soßen, Salaten und anderen Speisen eignet sich das herb-aromatische Aroma der Engelwurz. ZUBEREITUNGEN:

Zur Bereitung eines Tees wird ein Teelöffel (2 bis 4 Gramm) Angelikawurzel mit 150 Milliliter kochendem Wasser übergossen und nach 10 Minuten abgeseiht. Auch eine kurze Abkochung ist möglich. 2 – 3 x täglich kann eine Schale Tee – mäßig warm – eine halbe Stunde vor dem Essen getrunken werden.

Neben einer Teezubereitung sind auch Tinkturen oder Fluidextrakte aus der Angelikawurzel zur Behandlung der vorhin genannten Beschwerden im Verdauungstrakt gut geeignet. Auch die Zubereitung eines Engelwurzweines ist möglich.

ZUSAMMENFASSUNG 

Die Echte Engelwurz ist im nördlichen Europa beheimatet; sie lässt sich aber auch in Mitteleuropa gut kultivieren. Die aromatisch bitteren Wirkstoffe und spezielle Amide tragen zum umfassenden Wirkungsspektrum bei.

Zubereitungen aus der Engelwurz sind heute ein anerkanntes pflanzliches Heilmittel bei Appetitlosigkeit, Blähungen, Völlegefühl und leichten krampfartigen Magen- und Darmbeschwerden. Aber auch zur Herstellung von Kräuterlikören und Schnäpsen eignet sich die Angelikawurzel aufgrund des angenehmen aromatischen, nur leicht bitteren Geschmacks.

Juli 2022 Wermut

WERMUT

Artemisia absinthium

Der Wermut ist ein wunderschönes Beispiel für die richtige Anwendung einer Arzneipflanze zum Wohle der Menschen; er zeigt aber gleichzeitig eindrucksvoll, wie die missbräuchliche Verwendung einer Heilpflanze –z.B. als Absinthschnaps – die Zerstörung menschlichen Lebens herbeiführt.

Der Name der Pflanze weist auf Artemis – die Göttin der Jagd – hin. Ob das Wort „absinthium“ aus den griechischen Worten für „unerfreulich“ oder „untrinkbar“ abgeleitet wurde, ist nicht klar belegt.

MEDIZINISCHE ANWENDUNG

Die im Volksmund für den Wermut verwendeten Namen wie Heilbitter, Magenkraut und Wurmkraut zeigen deutlich, welche Wirkungen dieser Pflanze in der Volksmedizin zugeschrieben wurden.

Die Anwendungsgebiete dieser Heilpflanze erstrecken sich nach wissenschaftlichen Untersuchungen auf Probleme im Magen/Darm und im Bereich der Gallenwege.

Bei Appetitlosigkeit sind sowohl Teezubereitungen als auch Tinkturen bewährte Arzneimittel, die durch eine Kombination mit anderen reinen oder aromatischen Bitterstoffpflanzen ergänzt werden können.

Es sollte nicht versucht werden, den bitteren Geschmack dieser Zubereitungen mit Zucker zu neutralisieren.

Als aromatisches Bittermittel ist der Wermut auch zur Behandlung einer Gastritis, die mit verringerter Säurebildung einhergeht, geeignet. Die karminativen Eigenschaften der Wermutpflanze führen zu einer sinnvollen Anwendung bei dyspeptischen Beschwerden wie bei Blähungen, Völlegefühl und leichten Krämpfen im Magen/Darmbereich; zusätzlich sind Zubereitungen dieser Heilpflanze hervorragende Arzneimittel bei verschiedenen Erkrankungen im Bereich der Gallenwege, aber auch bei krampfartigen Darmstörungen. Diese positive Wermutwirkung kommt bei Entzündungen der Gallenblase, bei Gallensteinen und bei Störungen des Gallenflusses zum Tragen.

Eine Anwendung sei noch erwähnt, obwohl sie wissenschaftlich nicht voll anerkannt ist. In den Wintermonaten wird der Wermut häufig Teemischungen zugegeben, die der Behandlung der grippalen Infekte dienen. In diesen “Grippetees” hat der Wermut die Funktion, dem appetitlosen, geschwächten Menschen sein Wohlbefinden rascher zurückzubringen, dem Kranken wieder schneller auf die Beine zu helfen und damit die Dauer der Krankheit abzukürzen.

TEEZUBEREITUNG

Die Teezubereitungen mit Wermut (1 bis 3 Tassen täglich) werden warm nach dem Essen getrunken. Wenn die Wermuttinktur bevorzugt wird, so gibt man 20 bis 40 Tropfen in ein halbes Glas Wasser und trinkt diese schluckweise.

Die Teezubereitungen bei Appetitlosigkeit sind vor dem Essen zu verabreichen und enthalten außer Wermut oft Tausendguldenkraut, Bitterklee, Kalmuswurzel oder auch Zimtrinde und Orangenschalen.

Den Teemischungen bei Erkrankungen der Galle werden hingegen Löwenzahn, Pfefferminze, Schafgarbe oder Odermennig und andere gallenwirksame Heilpflanzen zugesetzt.

Zur Herstellung von Wermutwein wird heute oft der Römische Wermut verwendet, der nur einen kleinen Anteil von β-Thujon im ätherischen Öl hat.

ZUSAMMENFASSUNG

Der Wermut stammt zum größten Teil aus feldmäßigem Anbau, kaum aus Wildbeständen. Seine Anwendung als vorzügliches Arzneimittel zur Verbesserung der Gallenproduktion und Regulierung des Gallenflusses ist wissenschaftlich anerkannt. Aufgrund der Bitterstoffe eignet sich der Wermut als appetitanregendes Arzneimittel, aber auch als geschmackvoller Aperitif vor einem Essen.

Juni 2022 Tausengüldenkraut

TAUSENDGULDENKRAUT

Centaurium erythraea

MEDIZINISCHE ANWENDUNG

Das Tausendgüldenkraut kommt alleine oder in Kombination mit anderen Heilpflanzen, die Bitterstoffe oder auch Anteile an ätherischem Öl besitzen, zur Anwendung. Appetitlosigkeit ist ein Problem, das Kinder und oft auch ältere Menschen betrifft. Mit einer vernünftigen Dosis (einige Löffel Tee) sind sicher auch Kinder dazu zu bewegen, diesen bitteren Tee zu trinken. Wenn zu wenig an Verdauungssäften gebildet wird, sind die Bitterstoffe des Tausendgüldenkrautes eine wichtige Maßnahme, damit die Verdauungsabläufe wieder einwandfrei funktionieren und damit dyspeptische Beschwerden, Blähungen und Achylie (=das Fehlen von Verdauungssäften) vermieden werden. Auch das Gallensystem wird durch Bitterstoffe aktiviert und dadurch die Verdauung wieder optimal geregelt.

Positive Wirkungen werden auch beschrieben bei Essunlust junger Menschen oder Menschen, die großen nervlichen Belastungen ausgesetzt sind und daher wenig Appetit haben oder durch zu hastiges Essen die Speisen schlecht verdauen. In der Literatur wird auch ein interessantes Phänomen beschrieben, das von Ärzten beobachtet wurde: übergewichtige Menschen beginnen nach längerer Einnahme von Tausendgüldenkraut-Tee ihr Übergewicht abzubauen.

Vorsicht ist geboten bei Personen, die einen Überschuss an Magensäure haben. In diesem Fall sollten keine Bitterstoffe zur Behandlung von Verdauungsproblemen gegeben werden. Bei Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüren sind Bitterstoffe kontraindiziert.

TEEZUBEREITUNG:

2 bis 3 g getrocknetes Tausendgüldenkraut werden mit 150 ml siedendem Wasser übergossen; man lässt mindestens 10 Minuten ziehen, seiht ab und trinkt den leicht warmen Tee schluckweise. Als Appetittee wird er ½ Stunde vor dem Essen, als Verdauungstee nach dem Essen getrunken. Der Tee darf nicht gesüßt werden!

ZUSAMMENFASSUNG

Das Tausendgüldenkraut zählt zu den reinen Bitterstoffpflanzen. Der Bitterwert sollte mindestens 2000 betragen. Dies wird sicher dadurch erreicht, dass viele Blüten mitgeerntet werden. Die Heilpflanze wird allein oder in Kombination mit anderen Bitterstoffenpflanzen bei Appetitlosigkeit oder bei zu geringer Magensaftproduktion verabreicht. 

Mai 2022 Gelber Enzian

GELBER ENZIAN

Gentiana lutea L. und Unterarten

Obwohl die prächtigen, dunkelblauen Enzian-Arten (Alpen-Enzian, Clusius‘ Enzian oder Kochscher Enzian) in den Alpen für viele Pflanzenfreunde der Inbegriff des Enzians sind und auf Schnäpsen und Lebensmitteln abgebildet werden, ist der Gelbe Enzian die Leitpflanze in der Verwendung der Enzianarten als Heilpflanze. Neben dem Gelben Enzian finden wir noch fast 40 Enzianarten in den Alpen, weltweit sind es rund 400 Arten.

Die Enzianarten mit ihren Bitterstoffen waren nicht nur in Arzneien beliebt; sie sind und waren auch Bestandteil verschiedener Kräuterliköre und Schnäpse, die vor oder nach dem Essen – als Aperitif oder als Digestiv – gereicht werden. Daher kam es auch zu einer Gefährdung verschiedener Enzianarten; mit dem Gelben Enzian waren der Getüpfelte Enzian, der Purpur-Enzian, der Pannonische oder Ostalpen-Enzian und der Schwalbenwurz-Enzian in den Arzneibüchern. Der hohe Bedarf machte es notwendig, diese Pflanzen unter Schutz zu stellen. Seitdem es aber gelungen ist, den Gelben Enzian im Feldanbau zu kultivieren und die „Ernte“ in der Natur zu reglementieren, ist es zur Erholung der natürlichen Bestände in den Alpen und den anderen Standorten in Europa gekommen.

MEDIZINISCHE ANWENDUNG

In drei Bereichen haben sich Extrakte aus Enzianwurzeln gut bewährt. Zunächst wirken die Bitterstoffe in passender Konzentration gut bei Appetitlosigkeit. Daher findet man die Enzianwurzel auch in verschiedenen flüssigen Stärkungsmitteln. Weiters eignen sich Extrakte zur Behandlung von dyspeptischen Beschwerden wie Völlegefühl, Blähungen, Übelkeit oder Druck und Schmerzen im Oberbauch. Darüber hinaus sind Enzianwurzelextrakte in einem kombinierten Arzneimittel mit Eisenkraut, Schlüsselblume, Holunder und Sauerampfer zur Verbesserung der Sekretolyse und zum Verdünnen von zähem Schleim bei Infektionen im Nasen-, Nebenhöhlen- und Rachenraum.

ENZIANSCHNAPS

Das Brennen von Enzianschnäpsen war ursprünglich ein Privileg der Klöster. Seit einigen Jahrhunderten wird Enzianschnaps von Betrieben mit Brenngenehmigung erzeugt. Der hohe Bedarf an Wurzeln kann nicht durch Wildsammlung allein abgedeckt werden, daher hat der feldmäßige Anbau zu einer Erholung der Vorkommen in der Natur geführt. Die doppelt gebrannten Schnäpse schmecken kaum bitter.

Der Bedarf an Enzianwurzeln zur Herstellung von Arzneimitteln und Schnäpsen beträgt 6000 t frische Wurzeln pro Jahr.

TEE-HERSTELLUNG:

2 – 4 g der getrockneten Enzianwurzel werden mit kochendem Wasser übergossen, man lässt 5 Minuten ziehen, seiht ab und trinkt den Tee mäßig warm.

Der Tee kann auch als Kaltauszug (Mazerat) hergestellt werden; dafür wird obige Menge mit kaltem Wasser übergossen, man lässt 8 – 10 Stunden ziehen, erwärmt kurz und seiht ab.

Zur Appetitanregung wird der Tee eine halbe Stunde vor dem Essen getrunken, zur Verbesserung der Verdauung nach dem Essen.

ZUSAMMENFASSUNG

Der Gelbe Enzian gehört zu den in der Natur geschützten Pflanzen. Er wird auch feldmäßig angebaut.

Extrakte aus den Wurzeln werden bei Appetitlosigkeit, dyspeptischen Beschwerden und in pflanzlichen und homöopathischen Arzneimitteln zur Behandlung von Erkältungskrankheiten und deren Symptomen verwendet.

Das Amarogentin ist der intensivste Bitterstoff mit einem Bitterwert von 58 Millionen.

Neben der arzneilichen Anwendung ist der Enzianschnaps ein seit vielen Jahrhunderten beliebtes Produkt aus dem Gelben Enzian.