Dezember 2024 Die Lungen – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen. Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Die Lungen

Luftig, wehende Engelsflügel

Die Lungen lieben frische und saubere Luft und ein starkes Herz. Sie zu lieben heißt, ihnen die Grundnahrungsmittel zukommen zu lassen: eine freundliche Beziehung zu dem, was um uns herum ist und die von innen kommende Ernährung über das Blut. Die Besonderheit der Lungen im Organreigen besteht in einer einzigartigen Fähigkeit, mit atmosphärischer Luft umzugehen. Während Darm und Blase mit Nahrung und Urin umgehen, befassen sich die Lungen mit den Bestandteilen der Luft. Die Lungen sind liebenswerte Flügelwesen in unserer Brust. Wer gut mit ihrer Zartheit und Lustigkeit umgeht, wird belohnt. Dem, der sie misshandelt, wird die Luft genommen. Sie zu spüren ist leicht, denn sie schwingen in jedem Atemzug und in jedem gesprochenen Gedanken mit. Die Kraft der Lungen zeigt sich in der Ausdehnung des Brustkorbs beim Atmen, im Pusten und Keuchen der vertieften Atmung. Ihre Widerstandsfähigkeit zeigt sich im Husten, der sich gegen schädliche Stoffe in der Luft wehrt. Im Gegensatz zu jenen Organen, die in der Tiefe leben, ist die Aktivität der Lungen oberflächlich und wahrnehmbar. Die Lunge zeigt sich in der Haltung und Form des Brustkorbs und in der Anstrengung oder Beiläufigkeit des Atmens. Wer schwer atmet hat es schwer. Wer unbeschwert durchs Leben hüpfen will, der wäre gut beraten, die eigene Lunge zu lieben. Sie bestimmt das Lebensgefühl und die Überlebensanstrengung. Einer der häufigsten Gründe, warum Menschen einen Arzt aufsuchen, ist das Gefühl bei alltäglichen Aktivitäten aus der Puste zu geraten. Beschwerden beim Atmen oder die Not, keine Luft zu bekommen, fühlen sich unerträglich und lebensbedrohlich an. 

Atem holen und bekommen

Die Lunge fasst Luft und nimmt sie ins Innere auf. Sie ist Behälter, Transport-, Aufnahme- und Abgabeorgan zugleich. Umgangssprachlich sprechen wir von „Atem holen“ und „Luft bekommen“. Dazu gibt es zwei verschiedene Gewebe in den Lungen: die Bronchien als Transportwege und die Lungenbläschen als Aufnahmeorgan. Hier herrscht strikte Arbeitsteilung. In den Lungenbläschen findet die eigentliche Lungenfunktion statt: der Austausch von Gasen. Daher nehmen sich auch den meisten Raum in der Lunge ein. Bekommen wir Luft, geht es um die Aufnahme von Sauerstoff ins Blut. Da dies nur möglich ist, indem Sauerstoff gegen Kohlendioxid getauscht wird, wird dieser Prozess als Gasaustausch bezeichnet. Dabei diffundiert Sauerstoff aus den Lungenbläschen ins Blut und wird von den roten Blutkörperchen aufgenommen. Wenn wir nicht genug Luft ins Blut bekommen, wird uns schwindelig und wir werden müde. 

Luftnot

Das Hohlorgan Lunge ähnelt anderen Hohlorganen im Aufbau und in der Funktion. Auch im Hohlorgan Lunge finden wir innen Schleimhaut und aussen Muskeln. Auch hier geht es um Transport und Aufnehme. Jeder, der einen asthmatischen Anfall hatte, kann ein Lied davon singen oder im Anfall pfeifen: Schleimhautschwellung und Muskelspasmus führen zu Luftstau, Atemnot und Todesangst. 

Blasebalg oder Luftballon

Der mechanische Vergleich zum Blasebalg oder Luftballon wurde der Lunge oft angeboten. Wie der Blasebalg zieht sie Luft ein und gibt sie wieder her. Wie der Luftballon läßt sich die Lunge durch einströmende Luft aufblasen und wird dann durch die elastische Rückstellkraft der gedehnten Wand wieder zusammenschnurren. Letzteres, das Zusammenschnurren der Lunge, findet zum Glück nicht statt, da die Lunge von einer doppelten Gegenkraft offen gehalten wird.Von außen hält der Brustkorb den Luftballon auf, von innen wirkt die Oberflächenspannung der Lunge gegen das Kollabieren der Lunge. Ein von den Lungen selbst produzierter Stoff (Surfactant) erhöht die Oberflächenspannung in den Lungenbläschen und hält die Lunge in Form und offen für ein-und ausströmende Luft. 

Wege der Luft

Am Anfang der Luftröhre finden wir, neben der klassischen Rohrarchitektur aus Muskeln und Schleimhaut, die von außen aufgesetzten Knorpelspangen. Diese halten, unabhängig von Muskel- und Schleimhautspannung, den Hohlraum für die Luftpassage offen.Wenn wir dem Weg der Luft von der Luftröhre in die Bronchienverästelungen folgen, ändert sich das Bild Schritt für Schritt. Anfangs überwiegt die Schleimhaut, die Muskelschicht ist dünn. Die Knorpelspangen der Luftröhre werden in den Bronchien zunehmend zu Knorpelflecken. Je näher wir im Bronchienastwerk den Alveolen kommen, desto weniger Schleimhaut und desto mehr Muskulatur finden wir. Die Knorpelflecken verschwinden gänzlich und am Übergang von Astwerk zu alveoler Blätterkrone gibt es nur noch eine ringförmige muskuläre Verdickung. Mit diesem Schließmuskel kann der Luftstrom am Ende der Luftwege noch ein letztes Mal reguliert werden. Danach gelangt die Luft in die Alveolen, die eine völlig andere Bauweise aufweisen.

Stamm und Krone

Die grüne Lunge der Laubbäume und die Lunge des Menschen ähneln sich in der Bauweise und kommunizieren miteinander. Die Alveoplen nehmen den Sauerstoff auf und geben Kohlendioxid aus dem Blut wieder in die Luft ab. Kohlendioxid in der Atmosphäre wird in den Blättern der Bäume wieder zu Sauerstoff verwandelt. 

In Beziehung

Wer atmet, lebt. Die Lungen tragen uns durch das irdische Leben. Die erste Strecke des menschlichen Lebens, vom Mutterkuchen zur Mutter Erde, endet mit dem ersten Atemzug des Neugeborenen. Die erste Belüftung der Lungen markiert das Ende des intrauterinen Paradieses und die Ankunft im atmosphärisch geprägten Leben. Die Lungen sind der Garant, dass wir in der irdischen Atmosphäre leben können und sie begleiten uns bis zum letzten Atemzug. Noch heute wird an der ersten Belüftung der Lunge gemessen, ob ein Neugeborenes geatmet, also gelebt hat.

In guten wie in schlechten Tagen

Lunge und Darm arbeiten zusammen, in guten wie in schlechten Tagen. Eine Lunge, die überlastet ist, wird irgendwann den Darm belasten. Dieser wehrt sich mit Verstopfung, Verschleimung oder Durchfall. Umgekehrt wird ein überforderter Darm die Lungen in Anstrengung versetzen. Die Lunge reagiert auch mit Verschleimung und Verkrampfung. Krampf und Durchfall im Darm stehen der Hustenattacke und dem Asthmaanfall in der Lunge gegenüber. Sowohl Lunge als auch Darm neigen bei Überforderung dazu, sich mit dem eigenen Schleim zu belasten. Der Husten versucht, diesen zu lösen. Wenn er produktiv ist, gelingt es der Lunge, Schleim los zu werden. 

Luftfilter

Im Zigarettenrauch und in verschmutzter Luft befinden sich kleine Partikel, die in der Schleimhaut der Luftwege abgefangen werden. Diese Filterfunktion der Schleimhaut von der Nase bis tief in die Lungen hinein ist extrem wichtig, um das eigentlich und sehr sensible Funktionsgewebe der Alveolen zu schützen. Gelangen die Schadstoffe in die Alveolen, können sie bleibende Schäden anrichten. Im feuchten Film der Schleimhaut bleiben Schmutzpartikel kleben und werden von der Flimmerhaar-Rolltreppe zurück transportiert. Vieles bleibt zum Glück bei der Nasenatmung schon im Filter der Nasen- und  Rachenschleimhaut hängen und kann einfach durch Räuspern oder Schnupfen eliminiert werden.

Raucher Husten

Jedem Raucher ist der Raucherhusten bekannt. Er ist der verzweifelte Versuch der Lunge, den Teer im Zigarettenrauch los zu werden. Teer und Schleim verkleben und bilden einen Straßenbeleg auf der Schleimhaut. Die Schleimhaut der Bronchien produziert normalerweise 1 bis 2 Liter dünnflüssigen Schleim pro Tag. Dieser kann durch das schleimhauteigene Transportsystem aus Flimmerhärchen zurück zur Luftröhre geschoben werden. In der chronischen Raucher-Bronchitis wird der Schleim zäher und die teerverklebten Flimmerhärchen schaffen den Abtransport nicht mehr. So ist Husten der angemessene, aber angestrengte Versuch, diesen Schleim abzugeben. 

Widerstand ist nötig

Die Atmung beginnt im Gesicht mit Nase oder Mund. An den Nasenflügeln erkennen wir, wie jemand atmet und auch, ob er oder sie lungenkrank ist. Über eine Manipulation der Nasenflügel, das Nasenpflaster, haben Sportler versucht, die Leistung der Lungenflügel zu verbessern. Die Nase bringt 50% des nötigen Atemwiderstands auf. Widerstand ist nötig, damit der Luftstrom langsam und anhaltend in die Tiefen der Lunge gelangen kann. Zu viel oder zu wenig Widerstand verändert den Luftstrom und stört die Atmung. 

Offene Münder

Nasenatmung tut gut, ist aber nicht mehr selbstverständlich. Heute kommt uns der Anblick von Kindern mit ständig offenem Mund vollkommen normal vor. Vor 30 Jahren wäre das noch als ungewöhnlich aufgefallen. Jenen, die sich mit Kindesentwicklung befassen, ist der offene Mund ein Dorn im Auge, denn der offene Mund erschwert das Leben der Kinder. Atmen und Sprechen werden ebenso erschwert wie die Abwehr von Keimen im Rachenraum. Da der Mund offen steht, atmen die Kinder meist nur durch diesen. Dann wird die Filter- und Abwehrfunktion der Nasenschleimhaut übersprungen. Die Folge ist eine erhöhte Belastung und Anfälligkeit der Rachenmandeln und Schleimhaut für Infekte. Zudem wird das Erlernen einiger Laute durch die verminderte Anspannung der Zunge nicht dort zu liegen, wo sie hingehört: Oben am vorderen Gaumen hinter der oberen Zahnreihe. Die Zunge ist verunsichert, wo sie hingehört und hängt – oft spannungslose – am Mundboden ab. Das ist dann keine „gechillte“ Zunge, sondern ein Entwicklungshindernis. Weiß die Zunge nicht um ihren physiologischen Platz, kann sie ihre enorme Kraft nicht entfalten. Nur über das regelmäßig Schlucken des Speichels wirkt die Zunge mit bis zu 4 Tonnen pro Tag auf den Gaumen ein. Diese Krafteinwirkung ist für die Form- und Funktionsentwicklung des Gesichts, des Kiefers und Mundes von großer Bedeutung. Neben dem Einwachsen der Zähne sind die ständig wirkenden Kräfte der Zunge und der Atmung entscheidend in der Fortbildung des Gesichtsschädels und der Gesichtsmimik. 

Höhlen im Gesicht

Wir erkennen im Gesicht nicht nur die Kraft der Atmung und die Gesundheit der Lungen. Das Gesicht weist selbst belüftet Knochen auf, also Knochen, die zur Höhlenbildung neigen. Die Knochen des Oberkiefers, der Stirn und des Ohres sind belüftet (pneumatisiert). Manche der belüfteten Knochen bilden mit der Nase und dem Mund ein in sich verbundenes Höhlensystem. Die beidseitigen Nasennebenhöhlen sind mit der Nasenhöhle verbunden, während die Höhle des Mittelohrs sich in den Mundraum öffnet. Dieses Höhlensystem ist mit Schleimhaut ausgekleidet, die sich dann ihn die Luftröhre und in die Bronchien fortsetzt. So stehen die Lungen und die Nebenhöhlen in Verbindung miteinander. Die Verbindung der Räume und Höhlen birgt Chancen: Kommunikation und Kompensation sind einfach möglich. Sie birgt auch die Gefahr der Verlagerung von Problemen. Wird zum Beispiel bei einer Entzündung der eitrige Schleim nicht abgehustet, kann er in andere Räume gelangen und dort Schaden anrichten. Dieser Umstand ist Eltern und Kinderärzten schmerzlich bewusst, wenn eine Bronchitis der Nasennebenhöhlenentzündung folgt, diese abgelöst wird von der Mandelentzündung, die wiederum gejagt wird von der Mittelohrentzündung und dann der Reigen der Entzündungen in den Luftwegen und belüfteten Knochen erneut beginnt. 

Saura Husten

Nicht nur die Gesicht- und Lungenräume sind kommunikativ verbunden. Ach Luft- und Speiseröhre sind ein offenes Röhrensystem. So läuft normalerweise der Schleim der Bronchien in die Speiseröhre und von dort in den Magen. Im sauren Milieu des Magens werden etwaige Bakterienbeigaben abgetötet. Der Rückweg sollte dagegen versperrt sein. Kommt dennoch saurer Magensaft in den Rachen oder die Bronchien, reizt er dort die Schleimhaut und löst Husten oder eine Asthma-Anfall aus. Die Lunge wird durch ein Problem des Mageneingangs geärgert. Die Ursache liegt im unzureichenden Verschluss des Mageneingangs. Dieser würde normalerweise den Rückfluss (Reflux) verhindern. Das Problem der aufsteigenden Magensäure stört besonders Säuglinge. Der Mageneingang schliesst in den ersten Lebensmonaten noch nicht ausreichend, was zu vermehrtem Spucken und Reflux führt. Wenn die Kinder viel auf dem Rücken liegen, kommt noch die Schwerkraft erschwerend hinzu. Dann bringen die Eltern die Kinder in die Senkrechte um das Zurückfliessen in Hals und Lunge zu verhindern. Auch Erwachsene kennen das Problem des reizendes Rückflusses im Liegen, typischerweise beim Schlafen. Viele finden Erleichterung, indem sie leicht erhöht auf Kissen schlafen.

Sperrangel weit offen

Die Lunge ist sperrangelweitoffen, aber nur für einen Stoff. Das unterscheidet sie vom zweiten großen Aufnahemorgan, dem Dünndarm. Der Dünndarm nimmt unterschiedlichste Stoffe auf, wandelt diese jedoch im Prozess der Aufnahme um. Der Dünndarm ist in hohem Maße diskriminierend und assimilierend: Nichts gelangt ins Blut, wie es in ihm ankommt. Die Lunge hat keine Diskriminierungsfähigkeit. Sie nimmt jedes Sauerstoffmolekül auf, das sich anbietet. Sie wandelt den Sauerstoff, den sie aufnimmt, auch nicht um. Das Sauerstoffmolekül bleibt dabei unverändert. In der Lungenphysiologie gab es lange Diskussionen darüber, ob die Aufnahme des Sauerstoffs und den Alveolen ein aktiver oder energieintensiver Prozess ist. Tatsächlich kostet es die Lunge keine Arbeit.  Die Grenzmembran der Alveolen ist so sehr für Sauerstoff durchlässig, dass dieser einfach ins Blut diffundieren kann. Über diese kurze Strecke wirkt das Konzentrationsgefälle von Sauerstoff im Blut und Sauerstoff in der Luft und treibt den Gasaustausch an. Die Lunge nimmt in einem geordneten Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf, sie gibt aber auch ab. Das unterscheidet sie vom Dünndarm, der nur aufnimmt.

Sauerstoff und Kohlenstoff

Der Stoffwechsel zwischen innerer Menschen-Natur und äußerer Pflanzen-Natur betrifft unter normalen Lungenbedingungen nur zwei Stoffe. In der Photosynthese der Pflanzen wird Kohlendioxid umgewandelt zu Sauerstoff. Der menschliche Körper braucht Sauerstoff für die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten. Die sauerstoffverbrauchende Energiegewinnung (Oxidation) findet in allen Zellen des Körpers statt, in den Kraftwerken der Zelle (Mitochondrien). Bei der Zellatmung in den Mitochondrien entsteht Kohlendioxid. Leben auf dem Planet Erde ist nur durch diesen Stoffwechsel von Sauerstoff und Kohlenstoff möglich. So schliesst sich der grosse Stoffwechselkreis in den Lungen, indem zwei kleine Kreise sich dort treffen: Die innere Zellatmung produziert Kohlendioxid, das Chlorophyll der Pflanzen produziert Sauerstoff, beide tauschen sich in den Lungen aus. Laub, Luft und Lungen sind eingebunden in einen zirkulären Stoffwechsel. 

Flügelwesen

Die Lunge: ein Flügelwesen, ein Schmetterling, eine Libelle, ein Flugzeug, ein Engel. Die Lungenflügel verbinden sich in der Mitte mit dem Herz und mit der Luftröhre. Die Verbindungsstreben bilden einerseits die grossen Bronchialstämme zur Luftröhre, aber auch die großen Gefäße verbinden Herz und Lunge. Die Mitte des luftflügeltragendes Engels in der Brust ist das Herz. Diese wird von den Lungenflügeln ummantelt und zeigt mit seiner Herzspitze nach links. Eine Herzschwäche kann dazu führen, dass die Lungen unter Flüssigkeitsstau leiden. Dieser macht sich oft nur als Husten bemerkbar. Ebenso kann es dazu kommen, dass Menschen mit Lungenproblemen vermehrt ihr Herz belasten, um Blut in die Lunge zu pumpen. 

Extremitäten

Die Lunge ist ein Zwillingsorgan wie die Nieren. Organe, die paarig vorkommen, sind selten und spielen eine besondere Rolle. Die paarige Anlage des Organs verweist auf ein typisches Merkmal des Bewegungsapparates: Extremitätenbildung und Balancierung in der Rechts-Links-Symmetrie oder Asymmetrie. Das Lungenwachstum geht – wie nahezu jedes Wachstum – nicht ganz symmetrisch vonstatten, da die rechte Lunge mit drei Lappen etwas größer ist als die linke Lunge, die mit ihren zwei Lappen dem Herz etwas Platz lässt. Der knöcherne Container des Flügelwesens, besteht aus Rippen, Brustbein und Wirbelsäule, lässt von der inneren, organischen Asymmetrie wenig erkennen.

In der Balance

Ein wichtiges Element des Gleichgewichts und der Orientierung im Raum liegt darin, dass wir Menschen uns über die symmetrisch angelegten Extremitäten im Raum ausrichten und balancieren können. Unserer ersten Bewegungsmuster und stabilsten Positionen sind auch durch die gleichsinnige Aktivität der Extremitäten möglich. Anfangs stützen wir uns in Bauchlage auf beide Unterarme, dann stützt eine Seite, während die andere nach dem Spielzeug greift. Oft lernen wir zuerst, auf den Beinen zu stehen oder zu springen. Dann ist erst der Ein-Bein-Stand möglich. In der Symmetrie der Arm- und Bein-Extremitäten ergeben sich im Laufe des Lebens kleinere Asymmetrien und funktionelle Einseitigkeiten , wie z.B. eine Händigtet oder Fußdominanz beim Sprung oder Schuss. Diese Asymmetrien sind aber wohlintegriert in das System der dynamischen Wiederherstellung des Gleichgewichts. Erst wenn größere Veränderungen der räumlichen Präsenz der Lungenflügel oder Herzmitte einseitig die Balance stören, kommt es zu erkennbaren Asymmetrien. Einseitiges Überblähen oder Zusammenziehen der Lunge führt oft zu Skoliosen, also Formveränderungen des knöchernen Brustkorbs. Diese Veränderungen der inneren und äußeren Balance der Kräfte stellen eine hohe Herausforderung dar, wenn es darum geht, das Gleichgewicht zu halten. Ähnliche Probleme entstehen beim anderen Zwillings- und Extremitätenorgan, wenn die Rechts-Links-Balance durch die Entfernung einer Niere gestört wird.

Luftkissen für die Aufrichtung

Insbesondere in der sensomotorischen Entwicklung des ersten Lebensjahres spielt die Lunge als inneres Luftkissen eine wichtige Rolle. Das Luftkissen trägt das Kind von innen, wenn es im Unterarmstütz die nahe Umwelt erkundet. Es unterstützt den Brustkorb beim Sitzen, sodass diese anfangs recht anstrengende Position bald mit Leichtigkeit selbst und aktiv gehalten werden kann. Bei Frühgeborenen Säuglingen ist das Fehlen der Luftkissenhilfe oft zu beobachten. Da aufgrund der frühen Geburt und mangelhaften Ausbildung der Oberflächenspannung die Lunge manchmal nicht ihre volle Ausdehnung als Luftkissen geschafft hat, ist sie nicht in der Lage, die kindliche Entwicklung von innen zu tragen. Ein Unterarmstütz ohne die expansive Kraft des Luftkissens ist für das Kind anstrengend. Wenn aber das Luftkissen sich gar zusammenzieht, wird die Bauchlage so schwer, dass die Kinder sie meiden. Dann geht die Leichtigkeit der Aufrichtung verloren. Einem Kind ohne Leichtigkeit in der Bauchlage geht eine für die weitere Entwicklung wichtige Grundlage.

Die Beweger

Der wichtigste Bewegen der Lungen ist das Zwerchfell, ein Muskel, der quer im Köper liegt und die Körperhöhlen trennt. Er spannt sich zwischen den Organen des Oberbauches und des Brustraume und ist fixiert an den unteren Rippen und an der Wirbelsäule. Gebaut ist er wie ein Doppelzelt oder eine doppelkippelige Basilika mit einem stabilen Sehnen-Anker in der Mitte. Die beiden seitlichen Kuppeln liegen unter den Lungenflügeln. Kontrahiert sich der Zwerchfellmuskel, ziehen sich die Kuppeln zusammen und sinken ab. Die Bewegung überträgt sich auf die Lungen und dehnt sie aus. Der dabei entstehende Druckunterschied lässt die Luft einströmen, wie beim Aufziehen einer Luftpumpe oder beim Auseinanderziehen des Akkordeons. Die Zwerchfellkontraktion zieht dass Lungen-Akkordeon auseinander, gleichzeitig dehnen sich die Rippen durch die Aktivität der Zwischenrippenmuskeln aus. Die einströmende Luft weitet die Lunge von innen her. Die danach folgende Ausatmung wird von der Rückstellkraft der, in der Einatmung gedehnten, elastischen Fasern in der Lunge und in den Rippen getragen.

November 2024 Die Harnblase – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen. Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Die Harnblase

Aufgehende Sonne aus dem Becken

Im Alltag begegnen wir der Blase meist, wenn sie durch widrige Umstände irritiert wurde und mit einer Entzündung reagiert. Wer sie durch kalte Sitzflächen oder nasse Füße verkühlt, der macht ihr Stress und muss deshalb viel trinken, um sie zu besänftigen. Manche schwören auf Cranberry-Saft, andere fürchten die aufsteigende Infektion zur Niere und kommen um den antibiotischen Cocktail nicht herum. Sonst spielt die Blase eher eine Rolle am Anfang und am Ende des Lebens. Während die Neugeborenen die Blase erst noch richtig trocken bekommen müssen, klagt manch mehrfach Gebärende, über Blasenschwäche bei Anstrengung und Aufregung, genannt Stress-Inkontinenz. Männer unterhalten sich in späteren Lebensabschnitten über das Phänomen des Nachtröpfelns, ein Problem im Zusammenspiel von Blase und Prostata. Insgesamt lässt die Blasenkraft des Wasserhaltens im Alter nach. Das Wasser, das gehalten werden soll, ist der aus der Niere kommende Herren, der namensgebend für die Harnblase ist. Ihre Blasenform hat schon früh Menschen dazu veranlasst, die Harnblasen von erbeuteten Tieren als Behälter zu verwenden. Offenbar war leicht zu erkennen, dass sie sich als Halteorgan für Wasser eignen.

Befreundete Wohngemeinschaft im Erdgeschoss

Die Harnblase wohnt im Erdgeschoss der Organhausgemeinschaft. Wir verlassen damit den ersten Stock des Magen-Darm-Traktes und begeben uns ins Becken. Bauch und Beckenorgane sind befreundete Wohngemeinschaften in der Organhausgemeinschaft. Sie haben gemeinsame Vorfahren, aber Darm und Blase gehen jeweils eigene Wege. Diese bilden zwei getrennte Ausgänge für die Ausscheidung von Harn und Kot. Am Ende bildet die Blase eine gesonderte Wohneinheit, eine Einliegerwohnung ohne Verbindungstür. Die Abtrennung der Erdgeschoßwohnung, in der Blase und Gebärmutter wohnen, erfolgt in der embryonalen Entwicklung.

Los der Schwerkraft

Bei einem Neugeborenen liegt die Blase noch oberhalb des recht schmalen Beckens. Erst mit der Entwicklung zum Stehen und der Vergrößerung des Beckenraumes findet sie Platz im Becken. Das wachsende und der Schwerkraft ausgesetzte Becken vergrößert sich und umfasst dabei die Blase. Sie findet im Laufe der ersten Lebensjahre hinter dem Schambein ihren angestammten Platz. Erst wenn die Blase hinter dem Schambein ihren Platz gefunden hat, kommt das Thema Scham im Zusammenhang mit der Blasenentleerung auf. Mit der Aufrichtung zum Sitzen und stehen wirkt das Gewicht der Organe der oberen Stockwerke auf die Blase ein. Das Einwirken der Schwerkraft unterstützt die Blase auf ihrem Weg ins Becken. Auch an der Veränderung der Blasenposition zeigt sich, dass wir uns aus der Bauch- und Rückenlage in den aufrechten Gang entwickeln.

Halten und loslassen, ein Leben lang

Die Blase kann, was viele zwanghafte Zeitgenossen nicht können und sich durch teure Workshops anzueignen, versuchen: halten und loslassen, sammeln und hergeben, anspannen und entspannen. Sie lässt sich füllen und übernimmt dann die Initiative, sich wieder zu entleeren. Sie neigt weder zum ansammeln und festhalten, noch zur Beliebtheit des Durchflusses ist. Sie lässt sich tragen vom Rhythmus des Lebens. Das Füllen und Leeren der Blase ist ein früher vegetativer Rhythmus, dem wir ausgesetzt sind. Das Halten des Harns wird durch einen Verschlussmechanismus am Blasenausgang möglich. Wir spüren die Blasenaktivität, die zur Kontinent führt, genauso wenig, wie wir die Eiweißaufnahme im Dünndarm spüren. Harnverhalt oder Kontinenz ist eine unbewusste Funktion, wie so viele der vegetative Funktionen.

Rasanter Sonnenuntergang

Loslassen kann die Blase, indem sie die Muskeln in ihrer Wand zusammenzieht. Die langsam aufgegangene Sonne versinkt in Sekundenschnelle hinter dem Horizont des Schambein. Die Blasenmuskulatur sorgt mit einer kräftigen Kontraktion dafür, dass auf einen Schlag die Blase vollständig entleert wird. Damit ist ihr Loslassen, nicht nur ein passives, Nachgeben und Waltenlassen der Kräfte; die Blase entleert sich durch eine gezielte Aktivität der Blasenwand bei gleichzeitiger Hemmung der Verschlussmechanismen. Die Blase verhält sich somit gerade umgekehrt als andere volumenfähige Organe. Sie fühlt sich langsam und entleert sich auf einen Schlag. Der Magen dagegen füllt sich während einer Mahlzeit in relativ kurzer Zeit und gib diese Fülle langsam und in nur kleinen Häppchen an den Zwölffingerdarm ab der Verschlussmechanismus am Magenausgang sorgt dafür, dass nur kleine Mengen durch kommen. Der Magen selbst kontrahiert sich für vermissender Bewegungen, die Blase, um sich zu entleeren.

Notdurft

Der Zyklus der Blase lässt sich folgendermaßen auf den Punkt bringen: er beginnt mit Toleranz für Füllung, führt zum Bedürfnis der Entleerung und endet durch Hinauszögern bei der Notdurft. Dieser Zyklus beginnt in der Nieren. Urin wird aus der Nierenkelchen beständig abgemolken, 1 bis 2 ml/min beim Erwachsenen. Der Urin gelangt über die Harnleiter in die Blase. Diese ist ausgesprochen tolerant für Füllung. Der Druck in der Blase bleibt über lange Phasen der Füllung gleich. Für die Blase gilt: ohne Druck keine Not. Mit zunehmenden Blasendruck entsteht das Entleerungsbedürfnis: ich muss mal. Wird das empfundene Bedürfnis durch Verzögerungstaktik oder widrige Umstände zur Not, sprechen wir von Notdurft. Die Blase ist ein Organ, dass uns daran erinnert, dass wir bedürftige Menschen sind und dass wir in Not die anderen Menschen brauchen. In der Not brauchen wir ein mit verstehen des und die Not mit empfinden des gegenüber. Dann können wir eine Lösung finden, die das Schamgefühl alle respektiert.

Helfer in der Not

Die pralle Blase braucht Verschlusshelfer. Wenn die Not am größten ist, kommt Verstärkung aus dem Beckenboden. Die Muskeln des Beckenbodens sind gute Helfer in der Not. Und wie wir es an Kindern beobachten können, die keine Zeit haben, die Toilette aufzusuchen, werden selbst noch die Beine um Unterstützung gebeten. Zusammen pressen und Innenrotation der Beine unterstützt den Nothelfer Beckenboden bei der Arbeit. Zu guter Letzt hilft noch, von einem Bein aufs andere zu tippen, um den Nothelfern alles ab zu verlangen, was sie zu bieten haben. Bei geringer Blasendehnung spüren wir die Beckenbodenanspannung kaum. Ohne gezielte Aufmerksamkeitslenkungsstrategien wird diese Aktivität nicht bewusst; erst bei zunehmender Füllung spüren wir den Druck auf den Beckenboden und können gegenhalten. Die Muskeln des Beckenbodens helfen so, bewusst oder unbewusst, beim Halten des Urins und beim Modellieren des Bedürfnisses nach Entleerung mit. Wird der Beckenboden schwach, verliert die Blase ihre Position und senkt sich ab. Instabile Blasen mag niemand, denn sie neigen dazu, Kontinenz in Frage zu stellen. Die Blase ist ein Organ, dass gut arbeitet, wenn sie stabil dort liegt, wo sie hingehört. Senkungen passen nicht zu ihrem Auftrag.

Trocken von Geburt bis zum Tod

Ein Neugeborenes hält den Harn mittels der unwillkürlichen Mechanismen der Blase und des Beckenbodens; es ist trocken. Was ist noch nicht kann: die Entleerung willentlich hinauszögern. Das Baby pinkelt ein und ist nass in der Windel, aber zu keinem Zeitpunkt läuft der Harn einfach nur durch die Blase hindurch. Dann wäre das Baby ständig nass. Wenn wir davon sprechen, dass ein Kind „trocken“ wird, müssen wir zugleich zugeben, das ist die meiste Zeit „trocken“ war. Im Laufe des zweiten und dritten Lebensjahres entwickelt, ist die Fähigkeit, den vegetativen Rhythmus der Blasenentleerung zu modellieren und „trocken“ beziehungsweise „kontinent“ zu sein. Die meisten Kinder sind mit drei Jahren tagsüber trocken und dann auch bald nachts ohne Windel. Dann genießen die Meisten eine lange Zeit ohne Sorgen und Peinlichkeiten, kleine Ausrutscher ausgenommen. Der doppelte Verschluss hält meist, selbst in warmen Wasser oder unter Einfluss von Alkohol (im Fluss und im Suff).  Am Ende eines langen Lebens wird die Errungenschaft etwas schwächer. Im Alter lässt die Kraft des externen und internen Sphinkters nach und Kontinenz wird wieder fragil. Dann helfen wir durch Beckenbodentraining nach und tragen, für alle Fälle und gegen die Peinlichkeit, Einlagen.

Frauen und Männer sind unterschiedlich

Selbst das richtige Verhalten beim pinkeln am gemeinsam vereinbarten Ort hat in manchen Hausgemeinschaften zu größeren Abstimmungsprozessen geführt. Seine Harnblase zu entleeren, ist soziale Aktivität, und deshalb wundert es nicht, wenn sich darin soziale und geschlechtliche Unterschiede manifestieren. Die Harnblase trägt die klare Aussage in sich: Frauen und Männer sind unterschiedlich. Die Harnblase einer Frau und eines Mannes sind weitgehend gleich gebaut und reguliert. Sie unterscheiden sich aber deutlich in der Beziehung zu den Nachbarorganen und diese Unterschiede prägen auch das Verhalten der männlichen und weiblichen Harnblase im Laufe eines Lebens. Somit sind weibliche und männliche Sensibilitäten im Becken, nicht über einen Kamm zu scheren. Die Harnblase des Mannes sitzt auf der Prostata. Der Dünndarm des Mannes liegt direkt auf der Harnblase, so dass ein Reizdarm zu einer Reizblase führen kann. Die Harnblase der Frau trägt die Gebärmutter. Der Dünndarm der Frauen ruht auf der Gebärmutter und, je nach deren Neigungswinkel, auch auf dem vorderen Teil der Blase.

Sensibilitäten und Geschlechter

Spannungs- und Volumen Veränderungen der Blase übertragen sich bei der Frau vermehrt auf die Gebärmutter, bei Mann auf den Dünndarm. Umgekehrt wirken sich die Zustände des Dünndarms beim Mann vermehrt auf die Blase aus, bei der Frau auf die Gebärmutter. Wir können spekulieren, ob die manchmal hysterisch überzogene oder ganz und gar fehlende Sensibilität des Mannes daherkommt, dass Darm und Harntätigkeit so eng auf einander wirken. Die Harnblase der Frau sitzt direkt auf dem Beckenboden. Die Harnblase des Mannes ruht auf einer Drüse. Durch die Prostata zieht die Harnröhre. Entsprechend unterschiedlich sind die Entstehungsgeschichten von Blasenproblemen bei den Geschlechtern: Restharn und Inkontinenz. Restharn bedeutet, dass der Entleerungsmechanismus ungenügend funktioniert und geringe Harnmengen in der Blase verbleiben, die das Risiko von Blasenentzündungen erhöhen. Entleerungsstörungen der Blase wie Restharn oder Nachtröpfeln werden beim Mann oft durch Schwellungen der Prostata verursacht. Der Abfluss des Harns durch die Prostata ist durch deren Schwellungen leicht verlegt. Das dadurch entstehende Abflusshindernis führt dazu, dass Harn in der Blase bleibt oder nur in kleinen Mengen abgehen kann. Besonders Frauen kennen eine weitere Ursache für die unvollständige Blasenentleerung Eile und Hast beim pinkeln. Offenbar braucht die Blase ihre Zeit und ihre Umstände, um sich gut zu entlasten. Wer keine Zeit zum Wasserlassen mit sich bringt oder die örtlichen Umstände als wenig einladend empfindet, neigt zur Restharnbildung. Auch die Inkontinenz scheint geschlechtsspezifische Entstehungsgeschichten zu kennen: die der Männer ist oft eine Folge von Operationen an der Prostata; die der Frauen wird durch Beckenbodenschwäche verursacht, insbesondere nach Schwangerschaft und Verletzungen bei der Geburt. Blase, Gebärmutter und Beckenboden sind in der Schwangerschaft und während der Geburt mechanisch schwer belastet.

Honig süß und Ameisen anziehend

Wer Behandlungen mit Eigenurin scheut, kann – neben dem Ekel – gute Gründe anführen, die gegen den Konsum einer für den Abfall bestimmten Flüssigkeit sprechen. Die früheren Helden der Medizingeschichte konnten sich diesen Luxus nicht leisten, war doch die Geruchs und Geschmacksdiagnostik des Harns, eine der Methoden, eine Zuckererkrankung nachzuweisen. Der Harn der Zuckerkranken riecht und schmeckt süßlich, wie Süßmolke oder Milch. Namens gebend wurde dieser Geschmack und Geruch für die ganze Erkrankung: Diabetes mellitus heißt soviel wie Honig, süßer Durchfluss. Zarter besaitet Diagnostiker beließen, ist dabei, die anziehende Wirkung des süßlichen Urins auf Ameisen zu beobachten.

Stoff und Säure

Der Harn enthält die Endprodukte der wichtigsten Stoffwechselvorgänge, insbesondere Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure. Beim zyklischen, Abwehr- und anstrengungsbedingten Zerfall von Muskelzellen entsteht Kreatinin durch die Verbrennung von Kohlenhydraten und die Verarbeitung von Eiweißen und Fetten entstehen. Harnstoff und Kohlendioxid. Nur Kohlendioxid wird über die Lunge ausgeatmet, der Rest der Endprodukte der Stoffwechselvorgänge wird ausgepinkelt. Am Ende der Eiweißverarbeitung bleibt giftiges Ammoniak übrig und wird in Harnstoff verwandelt. Zu viel Harnstoff tut der menschlichen Organismus auch nicht gut und wird von den Nieren aussortiert. Ähnliches gilt für das Endprodukt des Abbaus von Zellen. Die Zellkerne werden beim normalen Absterben von Zellen in den Stoffwechsel einbezogen; es entsteht Harnsäure. Auch wenn wir Nahrung verstoffwechseln, die reich an Zellkernen ist (wie zum Beispiel Fleisch), kann es zu einer den Körper belastenden Überproduktion von Harnsäure und gichtartigen Schmerzen kommen. In der Gicht kristallisiert Harnsäure, und diese Kristalle folgen der Schwerkraft nach unten und lösen im großen Zeh starke Schmerzen aus.

Oktober 2024 Der Zwölffingerdarm – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen. Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Der Zwölffingerdarm

Die stabile Mitte

In den verschlungen Wegen des Darmes gibt es ein stabiles Zentrum: den Zwölffingerdarm, lateinisch auch Duodenum genannt. Der Name soll ausdrücken, dass er zwölf nebeneinander gelegte Finger lang ist. Der Zwölffingerdarm wird den Dünndarm zu geschlagen. Obschon er als Verdauungs- und Aufnahmeorgan viel mit dem restlichen Dünndarm gemein hat, unterscheidet sich der Zwölffingerdarm aber erheblich von den beweglichen und neugierigen Dünndarmabschnitten, die auch Juneum und Ileum genannt werden. Der Zwölffingerdarm nimmt räumlich und funktionell die Mitte des Bauches und des ganzen Leibes ein. Er liegt tief im Bauch vor der Lendenwirbelsäule und bildet einen stabilen Fixpunkt im ganzen Bauchfell. Da er stark mit der hinter ihm liegenden Faszie verwachsen ist, hält er seine Position in mitten volumetrischen Dynamik des Oberbauches und den räumlichen Verlagerungen des Unterbauches. Diese stabile Mitte ist wie geschaffen dafür, dass Regulative Zentrum der Magen- und Dünndarm Aktivität zu bilden. Er selbst ist kurz und stramm.

Mittler zwischen Magen und Dünndarm

Im Zwölffingerdarm treffen zwei Welten aufeinander. Funktionell ist er der Mittler zwischen Magen und Dünndarm. Er reguliert den Magen und bedient die nach ihm gelegenen Dünndarmabschnitte. Der Zwölffingerdarm bestimmt mit, wie schnell sich der Magen entleeren darf, und er gibt den peristaltischen Rhythmus für die weiter laufenden Darmbewegungen an. Dabei passt er den sauren Speisebrei des Magens an die alkalischen Anforderungen des Dünndarms an. Der Zwölffingerdarm fängt an, wenn der Magen aufhört. Wenn wir die geräumigen Hallen des Empfangsraumes Magen verlassen, wird es am Magenausgang beim Eintritt in den Zwölffingerdarm eng. Wir verlassen die Veranda und gelangen in die schmalen Gänge des Hauses. Dabei führt der Zwölffingerdarm die Besucher mehrmals um die Ecken seiner C-form, als würde er Ihnen die Orientierung nehmen wollen.

Reise um den Bauchnabel

Projizieren wir den tieferliegenden Zwölffingerdarm auf die vordere Bauchwand, erscheint die etwas verzogene Form des Buchstabens C. Zeichnen wir das C nach, erscheint eine Reise um den Bauchnabel. Rechts oberhalb des Bauchnabels,geht der Magen in den Zwölffingerdarm über. Nach einem kurzen Anstieg geht die Zwölffingerdarm Reise dann in einer scharfen Kurve nach unten. Dieser absteigende Teil des Zwölffingerdarms ist besonders interessant, da hier die Gänge und das Sekret der beiden wichtigsten Oberbauchdrüsen einmünden: die Gallenflüssigkeit der Leber und das Sekret der Bauchspeicheldrüse. Nach dem Abstieg dreht der Zwölffingerdarm in einer Linkskurve unterhalb des Bauchnabels über die Mitte auf die linke Körperhälfte. Bei diesem Seitenwechsel steigt der Zwölffingerdarm wiederum etwas nach oben und geht in einer scharfen Haarnadelkurve in den als Jejunum bezeichneten Teil des Dünndarms über.

Point of no return

Wenn der Speisebrei die Mitte des Organs passiert hat, geht es nur noch vorwärts. Retroperistaltik und Erbrechen ist nicht mehr möglich, nur noch vorwärtsgerichtete Peristaltik und Diarrhö. Die Fähigkeit des Magens und des anfänglichen Zwölffingerdarms, Geschlucktes wieder zu erbrechen, schützt diese vor Giften und Stoffen, die sie verletzen könnten. Tatsächlich gibt es im Zwölffingerdarm den „Point of No Return“. Bis zum Galleneingang ist die Rückgabe möglich, weshalb Erbrochenes durchaus gallig und nicht nur sauer schmeckt. Diese Rückgabegarantie wird durch die immunologische Kompetenz der Schleimhaut gewährleistet. Die Schleimhaut des Zwölffingerdarms ist gefährdet bei der Einnahme von Medikamenten und durch Bakterien (Helicobacter pylori). Sie neigt, wie die Magenschleimhaut, zur Bildung von Geschwüre.

Im Drüsenbauch

Der Zwölffingerdarm ist das Zentrum der hormonellen Regulationsprozesse im Drüsenbauch. Die Leberdrüse produziert Gallensaft für den Darm und Hormone, die sie über das Blut den ganzen Körper zur Verfügung stellt. Auch die Bauchspeicheldrüse stellt Sekret für den Verdauungsprozess im Darm und Hormone für den ganzen Körper her. Ins Blut gibt sie Hormone, die Insulin und Glucagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren, in dem sie die Aufnahme von Zucker in die Zellen beeinflussen. In der Mitte des Zwölffingerdarms kommen also die Verdauungssäfte der Galle und der Bauchspeicheldrüse hinzu. Der Gallensaft wird für die Aufschwellung der Fette benötigt. Dadurch werden diese leichter verdaulich, was bei einem Mangel an Galle zu Fettverdauungsstörungen führt. Die Enzyme der Bauchspeicheldrüse werden in den Zwölffingerdarm abgegeben und dort aktiviert. Diese spalten Proteine und ihre Aminosäurenbestandteile auf und bereiten sie so für die Aufnahme vor. Vom Darm aus betrachtet sind Leber und Bauchspeicheldrüse als Sekret zuführende Anhangsdrüsen zu betrachten. Dazu kommt noch die Drüsenaktivität der Schleimhaut des Zwölffingerdarms selbst. Die nur in der Schleimhaut des Zwölffingerdarms vorkommenden Brunner – Drüsen produzieren Verdauungssekret und alkalischen Schleim zur Pufferung des sauren Speisepreis aus dem Magen. Zudem stellt die Schleimhaut des Zwölffingerdarms Hormone her, die aktivierend auf die Peristaltik des Magens, der Gallenwege und des Dünndarms wirken können.

Quirliges Drüsenleben

Erstaunlich, quirlig und schöpferisch ist das Leben im Drüsenorgan Zwölffingerdarm. Es geht zu wie in einem fröhlichen Musical oder in einer Werbeagentur: gute Laune ohne Ende. Was aber, wenn die Lasten des Alltags diese quirlige Fröhlichkeit nicht zulassen, wenn ungenügende oder exzessive Mengen aus dem Magen die Freude trüben? Wenn Alkohol den chemischen Prozessen in den Weg kommt? Feucht-fröhliche Alkohol-Exzesse stören diese Region massiv. Ebenso die gefürchtete Protein-und Fett-Überdosis der Grillsaison. Auch der feindliche Dauer-Stress mit Hungerperioden (tagsüber) und spätabendlichen Essen ist der Lebensfreude des Zwölffingerdarms nicht zuträglich. Er mag die Drüsen anregende Wirkung der Bitterstoffe, fürchtet aber die Gefahr der Bitternis bei übermäßige Aktivierung.

In Ruhe aktiv: Kehrwoche

In der Darmwand des Zwölffingerdarm findet sich ein weit verzweigtes, darmeigenes – daher in enterisch genanntes – Nervensystem. Dazu sehr aktive, in der Muskulatur gelegene Schrittmacherzellen. Diese depolarisieren sich regelmäßig und führen selbst in Ruhephasen, also ohne stimulierende Dehnung durch Nahrung, zu Darmbewegungen. Die Frequenz der Ruhe-Peristaltik des Zwölffingerdarms ist eine der höchsten im Magen-Darm-Trakt. In den Phasen zwischen den Mahlzeiten stellt die Ruhe-Peristaltik eine Reinigungsaktivität da. Der Darm liegt nicht auf der faulen Haut, er macht Hausputz und Kehrwoche. Kommt dann Speisebrei in den Magen, wird diese Aktivität erhöht und die Nahrungsbestandteile durch die Enzyme weiter aufgespalten.

Arbeit am Stoff

Der Zwölffingerdarm ist der große „Verdauer“, er bearbeitet die Nahrung in seinem Innenraum. Der Zwölffingerdarm zeigt, dass Verdauung mit Umwandlungsprozessen einhergeht; und er gibt klar zu erkennen, dass diese Verwandlung mit Arbeit verbunden ist. Der Zwölffingerdarm und die weiteren Dünndarmabschnitte bereiten die Stoffe der Nahrung so vor, dass sie als Stoffwechselprodukte ins Innere des Organismus aufgenommen werden können. Alles, was im Darm ankommt muss verändert und an Transportmittel gebunden werden, so dass es durch die entscheidende Barriere der Schleimhaut gelassen werden darf. Die Aufnahmen der vom Zwölffingerdarm aufgeschlüsselten und gebundenen Stoffe findet in den folgenden Dünndarmabschnitten statt. Im Zwölffingerdarm und anfänglichen Jejunum werden die Mineralstoffe (zum Beispiel Eisen) aufgenommen. Dass Jejunum übernimmt den größten Teil der Aufnahmearbeit, da es Fette und fettlösliche Vitamine und mit dem Ileum zusammen auch Aminosäuren, Kohlenhydrate und wasserlösliche Vitamine herein lässt. Der Zwölffingerdarm beginnt den Dünndarm-Prozess, das Ileum beendet ihn.

Eisen, Erde, Erys

Eisen braucht der Körper für Verbrennungs- und Heilungsprozesse. Es kommt zuhauf in der Erde und in der Nahrung vor. Die besondere Stellung des Zwölffingerdarms zwischen irdischen Eisen und den Bedürfnissen der Organgemeinschaft ergibt sich daraus, dass er sowohl der Ort der Eisenaufnahme ist als auch eine erste Speicherfunktion übernimmt. In der Regulation des Eisenhaushalts arbeiten Zwölffingerdarm und Leber eng zusammen. Die Leber stellt einerseits die Spezialtransporter her, in denen das toxische Eisen auf dem Blutweg zu den wichtigsten Abnahmestellen im Knochenmark, Milz und Leber gebracht werden kann. Andererseits produziert die Leber auch ein Hormon, dass dem Zwölffingerdarm mitteilt, wie viel Eisen aufgenommen und mobilisiert werden soll. Während die Leber Eisen speichert, wird das Eisenmolekül im Knochenmark in die entstehenden roten Blutzellen eingebaut. Im menschlichen Organismus nimmt das Eisen einen zentralen Platz ein. Dort, wo in den Erys das Eisen Platz nimmt, sitzt im Chlorophyll der Pflanzen das Magnesium; ein Vergleich, den wir bei der Lunge nochmals aufnehmen.

Gallen Recycling

Die Gallenflüssigkeit enthält neben Wasser auch wichtige Stoffe, die der Körper nicht verlieren will, da sie dann aufwändig neu produziert werden müssten. Nachdem die Galle im Zwölffingerdarm ihre fettaufschwemmende Wirkung entfaltet hat, wird sie mit dem Speisebrei weiter transportiert. Am Ende des Dünndarms wird das Recycling System der Galle aktiv. Bis zu 95 % der Gallenbestandteile werden wieder ins Blut aufgenommen und zu dem Körper zugeführt. Mangelnde Rückresorption der Galle am Ende des Dünndarms ändert die Konsistenz des Speisepreis und lässt Durchfall entstehen.

Ekel und Stolz

Unzumutbare Speisen und Situationen lösen in uns Übelkeit und Erbrechen, aber auch Ekel aus. Falls wir unsere Nase nicht getraut oder etwas Übles schmecken, das wir gegessen haben, entsteht in dieser Region der Ekel und das erlösende Abstoßen im Erbrechen. Das „nein“, dass sich Nase und Magen nicht getraut haben, auszusprechen, hier im Zwölffingerdarm kommt es vehement und mit Ekel. Manchmal reicht es auch, wenn wir Zeuge einer solchen Situation werden; diese Erfahrungen rühren an unser innerstes Gefühl der Selbstachtung. Wenn es Organe gibt, die sich eigenen, verletzten Stolz auszudrücken, wäre der Zwölffingerdarm ein guter Anwärter für eine solche Aufgabe. Wir wissen, dass Bitterstoffe in Essen die Drüsen zur Verdauungstätigkeit anregen, Verbitterung aber zu Erkrankungen im Zentrum des Drüsenbauches führen kann.

September 2024 Der Magen – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen. Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Der Magen

Toleranz und sozialer Ausgleich

Noch bevor die Menschen viel über den Magen wussten, wurde diesem eine besondere Rolle im Zusammenleben der Organe beigemessen. Immer wieder stand der Magen für den gesamten Bauch. Noch heute sagen die Engländer (stomach) Magen und zeigen auf den ganzen Bauch. Symbolisch wurde der Magen auch für die ganze Ernährung herangezogen, wenn es darum ging, Konflikte der Menschengemeinschaft als Konflikte zwischen Organen darzustellen. Der Magen bietet sich scheinbar an, über Ähnlichkeiten, im Zusammenleben der Organe und Menschengemeinschaft nachzudenken. Es lohnt sich daher, ihn zuerst als Akteur in den menschlichen Dramen kennen zu lernen und erst dann herauszufinden, was wir heute über seine Fähigkeiten und Talente wissen. Offenbar wussten die Menschen schon früh, dass ein kranker Magen den ganzen Menschen krank machen kann. Einem Menschen mit Magenschleimhautentzündung steht das Leiden förmlich ins Gesicht geschrieben.

Gastro-Nomie

In der römischen Geschichte steht der Magen für den ganzen Bauch und die menschliche Ernährung. Das lateinische Wort für Magen (Master) hat unsere Gastronomie das Gesetz (nomos), der guten Magenewirtung, hervorgebracht. Wenn wir an Essen denken, kommt der Magen mit ins Spiel. Das ist gut so, denn der Magen erlebt die passende Mahlzeit und erleidet die Völlerei und die Hungerexzesse. Der Magen reagiert also auf die Menge, die wir essen und auf unser Essverhalten, während der Dünndarm auf die Qualität der Nahrung sensibel antwortet. Ein Magen mag die Fülle zur rechten Zeit – eine gute Mahlzeit zum Mittag, um nachts zu ruhen; dann kann der neue Tag in aller Frische und Bereitschaft zur Fülle und mit einem kaiserlich-köstlichen Frühstück beginnen.

Mundgefühl

Gastronomische Genüsse fangen im Mund und auf der Zunge an. Die Nahrung wird schon im Mund bearbeitet; sie wird im Kauen, zerkleinert und mit Verdauungsenzymen durchsetzt. Dadurch ändern sich Konsistenz und Geschmack der aufgenommenen Nahrung. Es entsteht das „Mund-Gefühl“, dass die weitere Wahrnehmung des Essens im Darm beeinflusst. Die Bearbeitung der Nahrung im Mund informiert den Magen über das, was kommen wird. Beim Kaugummi-Kauen, erwartet der Magen die ankommende Mahlzeit vergebens. Er aktiviert sich und wird dann mit seiner erwartungsvollen Bereitstellung von Salzsäure und Peristaltik im Nassen stehen lassen. Dem Magen tut das nicht gut. Dem Kopf auch nicht, denn manche bekommen vermehrt Kopfschmerzen dadurch. Geschmack und Geruch sind die sensorischen Qualitäten, die im Mund- und Nasenraum beginnen und mit der dortigen Schleimhaut und den dazugehörigen Hirnnerven zu tun haben. Auch Ekel und Übelkeit können hier schon beginnen. Da diese unangenehmen Gefühle erst im Zusammenspiel von Magen und Zwölffingerdarm verständlich sind, werden wir im nächsten Kapitel genauer auf sie eingehen. Die Mundschleimhaut ist nicht für die sensorischen Wahrnehmungsqualitäten bekannt; sie verfügt über eine noch schnellere Erneuerungsrate als der Dünndarm und kann diese auch bis ins hohe Alter erhalten. Im Mund können wir jung und frisch bleiben, da wir dort in einem Ausmaß Stammzellen bilden, dass Stammzellforscher ins Träumen kommen lässt.

Anfahrt zum Magen

Stellen wir uns den Magen-Darm-Trakt als ein Haus mit Grundstück vor, am besten eines jener schon als „Anwesen“ zu bezeichnenden Farmhäuser im Süden der USA, die in amerikanischen Fernsehserien gerne auftauchen. Dann wären Mund und Speiseröhre, Eingang und Zufahrt zum Haus. Die Tore würden aufgehen mit der Öffnung des Mundes, und die lang gezogene Anfahrt entspricht der Länge der Speiseröhre. Die Reise entlang der Speiseröhre endet in einem großen und offenen Raum, dem Magen. Dieser erste große Raum ist die Veranda, auf der sich das soziale Leben der Familie und Nachbarschaft abspielt.

Veranda des Magen-Darmtrakt

Der Magen ist die Veranda des Magen-Darm-Trakt. Im amerikanischen wird diese Veranda „porch“ genannt. Auf der porch zu sitzen, ist ein Privileg und Ausdruck eines ansehnlichen sozialen Status. Die porch sitter saßen auf dem Schaukelstuhl oder in der hölzernen – damals noch nicht so genannten – Hollywood-Schaukel, der porch swing. Auf der Veranda treffen sich Freunde und Nachbarn, kommen und gehen, verwickeln und verlieren sich in Gesprächen. Es ist ein Ort des sozialen Zusammenseins, ohne dass das Haus (der Zwölffinger- und Dünndarm) selbst betreten werden muss. Nicht alle, die auf die Veranda gelangen, werden auch ins Haus eingeladen. Hier wird gelouncht, auf Hängematten gehangen, small talk wie, ernsthafte Gespräche geführt. Hier mischen sich die unterschiedlichsten Charaktere; der Platz und die Toleranz sind groß genug, um ein freundliches und zu weilen freundschaftliches Zusammensein zu gewähren. Der Magenveranda ist nicht so schnell etwas zu viel, Sie gibt Raum für kleinere Zusammenkünfte und größere Feste.

Architektur und Klang der großen Halle

Die Magen-Veranda baut das typische Darmrohr zu einer großen Halle aus. Die Wand der Halle besteht wie überall im Darmrohr aus Muskeln und Schleimhaut. Zu den üblichen längs und zirkulär verlaufenden Muskelfasern kommt eine schräg verlaufende dritte Muskelschicht hinzu. Magenspezifisch ist eine breite Schicht aus Drüsen, die Salzsäure produziert und sekretiert. Die Halle des oberen Magens ist stabil und Luft gefüllt. In der Klanguntersuchung (Perkussion) klingt sie wie eine Kathedrale. Der untere Teil des Magens ändert mit der Füllung seine Form und manchmal Position; er ist beweglich und klingt mit Füllung nicht hohl, sondern matt. Auffallend ist die Gefäßarchitektur, die in der Magenwand und um den Magen herum ein verzweigtes Netz aus kommunizierenden Gefäßen bildet. Die innere Gefäßverflechtung macht den Magen relativ unempfindlich gegen arterielle Unterversorgung. Wird ein Gefäß verlegt, gewährleistet die Gefäßvernetzung dennoch die Versorgung Des Gewebes. Die Gefäße der Magenumgebung bilden eine Hängematte, in die sich das Organ legen kann. Sie spannen das Organ von außen auf. Somit wären sie mit dem Gestänge eines Zeltes zu vergleichen, dass dieses von außen in Form und Position hält.

Stress-Toleranz

Selbst ohne Füllung durch Essen oder Trinken, kann der obere Teil des Magens sein Volumen durch eine Luftblase ausdehnen. Die besondere Fähigkeit des Magens ist also in seiner Toleranz für Volumenveränderungen gegeben. Er besitzt die im Magen-Darm-Trakt einzigartige Fähigkeit zur Entspannung bei Zunahme von Stress. Ohnmächtig nimmt er an, was ihm zugeführt wird. Er entscheidet nicht über die Menge, die gegessen wird., Sondern passt sich den Herausforderungen der Füllung an. Wird der Dünndarm durch Volumenzunahme vermehrt gedehnt, würde er sich vermehrt anspannen und den Druck erhöhen. Dagegen ist der Magen nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Die Volumen und Druckzunahme wird durch „Stressrelaxation“ beantwortet; der Magen dehnt sich relativ aus und erlaubt eine Zunahme des Volumens, ohne den Druck zu erhöhen. Ein Organ, dass bei vermehrten Druck durch Entspannung die Situation entschärft, kann eine große Hilfe sein.

Form- und Volumendynamik

Im Zusammenleben der Organe ist der Magen eine ständige Erinnerung an die Verschränkung von Form und Volumendynamik. Die Füllung des Magens führt zu einer Volumen- und Formveränderung. Da der Magen diese volumetrische Ausdehnung gut ausführen kann, wird ihm das auch zur Falle. Aus der Stärke entsteht das Problem: zu viel Dehnung, zu viel Volumen, führt zu einer Ausdehnung der Form,  die nur schwer rückgängig zu machen ist. Besonders gefährdet ist die große Kurvatur, die auch bei der Stressrelaxation die entscheidende Rolle spielt. Bei zu viel Volumen, übernimmt sich der Magen, überstrapaziert seine Toleranz und wird vom übersteigerten Anspruch der Füllung überdehnt. Das führt zu Verstimmung, Völlegefühl, Gärung wegen zu langer Lagerungszeit, Aufstoßen und Reflux mit sauren Geschmack und Geruch. Wie jede rezeptive Natur neigt der Magen dazu, sich zu übernehmen. Manchmal ist dann Sich-Übergeben. Die einzige Chance, sich zu entlasten. Ein ausgeleierter Magen legt sich in die Hängematte des Quer-Colons und hängt sich oben an das Zwerchfell. So können vermehrt Blähungen oder Atembeschwerden – besonders nach einer Mahlzeit – Anzeichen der Magenmüdigkeit sein. Über die Speiseröhre verbindet sich der Magen mit der oberen Brust- und Halswirbelsäule. Die Muskelfasern ziehen bis zur Schädelbasis und markieren so das obere Ende des kranio-sacralen Darmrohrs. Ein müder und hängender Magen belastet die Wirbelsäule und erschwert das Halten des Kopfes.

Am Magen erkrankt der Mensch

In der Schleimhaut des Magens wird der so genannte intrinsic Faktor gebildet, der für die Aufnahme von Vitamin B12 in Dünndarm gebraucht wird. Da Vitamin B12 für die Bildungsprozesse aller Zellen notwendig ist, leidet der gesamte Organismus unter den Mangel an intrinsic Faktor bei Magenerkrankungen. Die Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes und die Blutzellen werden ständig neu gebildet, aber auch Nerven und Bindegewebe erneuern sich regelmäßig und brauchen daher Vitamin B12. Magen und Dünndarm arbeiten zusammen, um diese Nachfrage zeitnah zu beantworten. Schaffen Sie es nicht, genug Vitamin B12 bereitzustellen, können Menschen in der ganzen Breite des Zellspektrums erkranken: Blutarmut, nervöse Störungen, Schleimhautabbau. Ein kranker Magen kann somit den ganzen Menschen krank machen.

Einladung zur manuellen Medizin

Der Magen ist bestimmt durch die rhythmischen Volumenänderungen der Nahrungsaufnahme. Die Volumenzunahme durch Essen bewirkt eine Dehnung der Magenwand, die wiederum die vermischende Magen-Torsion stimuliert. Der Magen funktioniert wie ein Mixer, er zerkleinert und vermischt. Die Dehnung der Magenwand bewirkt also eine Freisetzung des Hormons Gastrin, das wiederum die Säureproduktion anregt. So liefert der Magen den Organ-Mechanikern den besten Beweis, dass mechanische Reize hormonelle und chemische Änderungen hervorrufen: Dehnung bewirkt Kontraktion und Hormonausschüttung. Damit spricht der Magen eine Einladung an die manuelle Medizin aus: Mechanik zählt. Neben der Mechanik spielt die hormonelle Steuerung durch den Zwölffingerdarm eine wichtige Rolle für den Magen.

August 2024 Der Dickdarm – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen. Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Der Dickdarm

Er hält den Rahmen

Dick und dünn sind Gegensätze, gehen aber stufenweise ineinander über. Der Dünndarm wird zum Dickdarm und die beiden arbeiten zusammen wie Brüder. Der Dünndarm ist der kleine quirlige und der Dickdarm der vernünftige große Bruder, der auf den kleinen Bruder aufpasst und ihn im Rahmen hält. Wie selbst bei guten Geschwistern durchaus üblich, versucht der eine den anderen reinzulegen und Schiefgelaufenes in die Schuhe zu schieben. Kommt der Speisebrei aus dem Dünndarm in den Dickdarm, muss dieser ihn weiterverarbeiten und weitertransportierten. Dabei entzieht der Dickdarm dem Speisebrei Wasser und fügt ihm Schleim hinzu. Dadurch wird dieser eingedickt und bleibt trotzdem weich und transportabel. Wird er überfordert, neigt er zur Verlangsamung des Transports und zur Verstopfung. Hält das zu lange an, können Aussackungen (Divertikel) entstehen. Blähungen sind typisch für den gesunden Dickdarm, treten aber vermehrt auf, wenn dieser belastet ist. Wer den Dickdarm liebt, gibt ihm faserreiche Kost zu verdauen. Das kann er gut ab und hält ihn auf Dauer gesund. Da der Dickdarm die unerledigten Aufgaben des Dünndarms übernehmen muss, sind die Freude des Dünndarms auch seine Freude. 

Zwei Brüder durch dick und dünn

Dick und Dünndarm variieren Th die Themen von Beweglichkeit und Stabilität. Zugleich gehen beide durch dick und dünn. Durchfall ist ein Symptom des hyperaktiven Dünndarms, Verstopfung kann ein Symptom des hypoaktiven oder hyperstabilen Dickdarms sein. Die peristaltischen Bewegungen des Dünndarms laufen im verlangsamten Dickdarm weiter. Da der Dickdarm kaum Nahrung aufnimmt, braucht er weniger die vermissender Bewegung, die typisch für den Dünndarm ist. Die zum Enddarm gerichteten Bewegungen sind die funktionell bedeutsamen. Der Dickdarm kennt aber Bewegungsformen, die dem Dünndarm unbekannt sind: das sind die so genannten Massenbewegung und der gastrokolische Reflex, bei dem die Ausdehnung des Magens eine Aktivierung des Dickdarms bewirkt. 

Wie der Magen den Tag beginnt

Vom Gastro Collection Reflex spricht die Physiologie, um ein vielen Menschen bekanntes, morgendliches Phänomen zu erklären: die erste Mahlzeit stimuliert den ersten Stuhlgang. Ein gesunder Magen freut sich über ein ausgedehntes Frühstück ohne hast. Dann kann auch er sich ausdehnen und den Magen Darmtrakt in Aktivität versetzen. So kann der ideale Magentag beginnen. Eine Dehnung des Magens durch das ankommende Frühstück wird als Reflex durch den Dünndarm bis zum Dickdarm weitergeleitet und führt dort zu einer Gesamtkontraktion des Dickdarms. Dabei wird der im Dickdarm befindliche Speisebrei fort bewegt und es kommt zum Stuhlgang. Dieser Reflex entlastet den Darm von der Verdauungsarbeit der Nacht und bereitet ihn für die Aufgaben des neuen Tages vor.

Kürzer und dicker

Im Vergleich zum Stand zu 5 m langen und mit nur 2,5 cm. Durchmesser recht dünnen Dünndarm ist der Dickdarm nicht nur dicker, sondern auch kürzer. Bei Erwachsenen ist der Dickdarm circa 1,5 m lang und mit einem Durchmesser von 7 cm vergleichsweise dick. Wie sein Darm Geschwister verfügt er über eine Muskel und Schleimhautschicht. Die Dickdarmschleimhaut nimmt fast keine Nahrung auf und ist daher auch dünner als jene des Dünndarms. Dick am Dickdarm ist nicht die Darmwand, sondern der Durchmesser des Darmrohrs. Die griechische lateinische Bezeichnung ist „Colon“ und spielt auf die Wurstform des Darmes an die Einschnürung der Regenmuskeln lassen den Eindruck von abgebundenen Würsten entstehen. Der Speisebrei aus dem Dünndarm besteht zu großen Teilen aus Ballaststoffen und Bakterien. Wie im Dünndarm arbeitet

 die Darmschleimhaut mit den lokalen Bakterien bei der Verdauung zusammen. Auch die Synthese von Vitamin K aus Cellulose erfolgt im Dickdarm durch Bakterien. Vitamin K wird bei der Blutgerinnung benötigt und Mangelerscheinungen durch Darmerkrankungen könnten zu einer verstärkten Blutungsneigung führen.

Gerechtigkeit in der Generationenfolge

Der Dickdarm spielt die Themen des oberen Darmrohrs, Magen und Dünndarm, nochmals durch: Ansammlung mit Volumenzunahme und Blähungen, Beweglichkeit und peristaltisches Weiterbewegen des Inhalts. Der Dickdarm bekommt jene Probleme ab, die andere vor ihm nicht gelöst haben. Die Weitergabe oder Verschiebung der Verantwortung in die nächste Generation, ist im sozialen Leben und auch in der Organfamilie bekannt. Wird die Verantwortung an die nächste Generation weitergereicht, stellt sich natürlich die Frage nach der Gerechtigkeit in der Generationenfolge. Der Dickdarm stellt eine funktionelle Reserve da, verfügt aber nicht über die gleichen Möglichkeiten des Dünndarms. Der Dickdarm nimmt die unerledigten Aufgaben der vorherigen Darmabschnitte und Generation an, ist aber schnell überfordert.

Jagdtrieb und Stuhlgang

Der Dickdarm endet in einem halteorgan besonderer Art. Der Enddarm kann Stuhl sammeln und halten. Der Stuhl Verhalt ist, die konnte Nenz des Darmes. Menschen entwickeln im Laufe der ersten Lebensjahre, die Fähigkeit, Kot im Enddarm zu sammeln und zu halten, um ihn dann in regelmäßigen Abständen abzugeben. Eine Fähigkeit, die im hohen Alter wieder nachlässt. Menschheitsgeschichtlich stellt uns die Kontinentsfähigkeit auch in eine Reihe mit den Jagdtieren. Der Enddarm der Raub und Säugetiere ist fähig, den Stuhlgang zu kontrollieren. Denn wer jagen will, braucht die Doppelfunktion der Kontinentsorgane: Stuhl halten beim an, schleichen und angreifen, Stuhl entleeren in den Ruhephasen. Das Raubtier auf der Pirsch würde ständige Darmentleerungen Stören und den Erfolg der Jagd gefährden. Auch Menschen, die sich ihre Stuhlverhalt nicht sicher sind, fühlen sich dem jagen und treiben des Alltags nicht gewachsen und vermeiden es zu weilen, das Haus zu verlassen. 

Darm-Exkursion

 Wer den Dickdarm auf seinem Weg durch den Bauch folgt, lernt fast alle Organe kennen. Die Organliebhaber kommen dabei auf ihre Kosten. Er ist der Reiseführer des Bauches. Er nimmt auf seinen Touren den Dünndarm in die Arme und begegnet der Leber, dem Magen, der Milz und zuletzt noch der Blase. Er startet seine Exkursion im rechten Becken, zieht auf der rechten Bauchseite hoch bis zur Leber, schwingt als Girlande unter Magen nach links und steigt wieder ab ins Becken. Dort zieht er eine Schleife um die Blase und mündet in den Enddarm.

Blindes Säcklein

Benannt fangen, bildet der Dickdarm eine Aussackung . namens gebend war, dass diese Aussackung blind im Wurmfortsatz endet. Die Anatomen bezeichnen ihn daher als blind Darm. Umgangssprachlich wird oft von Blinddarmentzündung gesprochen, ob schon der Wurmfortsatz betroffen ist und nicht der ganze Blinddarm. In diesem Blinddarm Säckchen landet der Speisebrei, wenn er aus dem Dünndarm kommt. Der hier ansässigen Escherichia coli Bakterien tragen zur Gehrung und Luftbildung bei. Bei Tieren wie dem Koala Bär, der nur faserreiche Blätter frisst, ist der Blinddarm extrem lang. Überbläht der Blinddarm, wird das Übergangsventil überdehnt und Speisebrei kann von Blind -in den Dünndarm zurück fließen. Dabei gelangen Dickdarmbakterien in den Dünndarm und führen zu unangenehmen Blähungen und Störungen des Verdauungsprozesses. 

Luft in Lunge und Darm

Aufgehängt ist die Querdarmgirlande über das Zwerchfell an den unteren Rippen. Dickdarm und Lungenbewegungen sind über diese Verbindung aufeinander abgestimmt. Die Belüftung der Lungen führt zu einer Aktivierung des Darmes; ein Umstand, der besonders deutlich wird, wenn über längere Phasen weniger tief geatmet wird. Das ist zum Beispiel bei bettlägerigen Personen oder Lungenkranken der Fall. Die Dynamik der Lungen sorgt dafür, dass die Luft am richtigen Ort bewegt wird: in den Lungen und nicht im Darm. Tiefe Atmung und körperliche Aktivität sind die beste Vorbeugung gegen Verstopfung. Bei Verstopfung kommt es zu Stau und häufig zu Gärungsprozessen mit übel riechenden Blähungen.

Eingeklemmt zwischen Magen und Milz

Am linken Winkel angekommen, kuschelt sich der Dickdarm zwischen Magen und Milz. Er kann die beiden irritieren und stützen, er kann aber auch durch Magenfüllungen und Milzschwellungen abgedrückt werden. Da Darmentzündungen sich oft in dieser Gegend abspielen, kann es in der Winkel-Gegend zu Schmerzen und Missstimmungen des Magens kommen. Anfällig ist diese Gegend auch beim Pfeiffersches Drüsenfieber. Bei diesem schwellen auch die Drüsen des Bauches – Leber und Milz – an und drücken auf umliegende Organe. Das wohl bekannte und wenig geliebte Seitenstechen beim Rennen hat möglicherweise auch in der Enge dieser Winkel Gegend eine Ursache.

In der Steilkurve

Nach der Milzkurve steigt der Dickdarm ab ins Becken. Er endet dann auf der linken Seite in einer S-Kurve. Dieser Teil des Dickdarms ist frei beweglich. Diese Darmschleife weist Ähnlichkeit mit einem griechischen Buchstaben, dem klein geschriebenen Sigma, auf. In der Sigma-Schlinge wird der Speisebrei verlangsamt und dem nachfolgenden Enddarm zugeführt. Bei Stau entstehen starke Expansions- und Fliehkräfte im Inneren des Darmrohrs.  Diese führen besonders im Alter bei schwächer werdendem Wandtonus zu Ausbuchtungen in der Darmwand (Divertikeln).  Divertikel ähneln Parkbuchten, sind nur weniger erwünscht als gefürchtet, da sich darin Speisebrei sammelt, der dann nicht mehr weiter transportiert wird. Dadurch kann sich das Divertikel entzünden, starke Schmerzen auslösen oder gar die Darmwand zum Einreißen bringen. Am Ende geht der Dickdarm in den Enddarm über. Dieser kann blähen und die gasförmige Phase der Darmluft von der wässrig festen Phase des Darmbreis getrennt behandeln.

Juli 2024 Der Dünndarm – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen. Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Der Dünndarm

Weltoffen, sensibel und entscheidungsfreudig

Der Dünndarm ist mit seinen bis zu fünf Metern Länge ein langer, gewundener Schlauch. Er legt sich in vielen Schlingen und Schleifen im unteren Teil des Bauches aus. Wer im begegnet wird sich an ihn erinnern: er ist gesprächig, kontaktfreudig und unterhaltsam. Aus sich herauszugehen ist ihm eine Lust, keine Bürde. Aufgrund seines Organcharakters scheut er die Bühne nicht und drängt sich förmlich in die erste Reihe. Der Dünndarm ist unser wichtigstes Aufnahmeorgan. Er nimmt 99% der Stoffe auf, die wir aus der Umwelt brauchen. Nur die Lungen nehmen auf, was nicht im Spektrum des Dünndarms liegt: Sauerstoff. Lungen und Dünndarm sind jene Organe, die uns ermöglichen, Stoffe aus der natürlichen Umwelt in unser Inneres zu bringen. 

Im gesunden Dünndarm sorgt ein ausgedehntes Abwehrsystem dafür, dass die guten Stoffe hineinkommen und die schlechten draussen bleiben. Der Dünndarm trifft hier die Entscheidung im Grenzverkehr zwischen Umwelt und Innenwelt. Er ist ein guter Ja-Sager und nimmt Nahrungsstoffe auf; und ein ebenso talentierter Nein- Sager, wenn es darum geht, unliebsame Gäste draussen zu halten. Wer dem Dünndarm Gutes tun will, gibt ihm gesundes Essen und belastet ihn nicht mit Nahrungsmittelgiften. 

Der kranke Dünndarm reagiert zunächst mit Durchfall. Ist der Dünndarm gereizt oder entzündet, kann selbst gesundes Essen diesen irritieren und Durchfall auslösen. Ein chronisch gereizter Dünndarm – ob als Reizdarm oder Morbus Chrom – verliert seine fröhliche, in die Welt schlendernde Art. Anstatt ins Leben zu stürmen, wägt er vorsichtig jeden Schritt ab. Beim Verlassen des Hauses nimmt er den Plan der öffentlich zugänglichen Toiletten mit, um für alle Dringlichkeit gerüstet zu sein.

Köstlichkeiten und Unverträgliches

Der Dünndarm reagiert auf die biochemische Qualität der Nahrung. Wer ihn liebt, muss sich mit seinen kulinarischen Vorlieben und Abneigungen vertraut machen. Auch wenn ihn keine Unverträglichkeiten oder Allergien plagen, seine Sensibilität ist so ausserordentlich, dass wir ihn durch schleckte Kost aus der Fassung bringen können. Durch gutes Essen machen wir ihm Komplimente. Bei fraglicher und verdorbener Kost schützt er sich durch reinigendes Durchfallgewitter. Da der Darm in seiner Tätigkeit von Millionen in ihm wohnender Bakterien unterstützt wird, irritieren ihn die Vielzahl der antibiotischen Medikamente. Die Antibiose nimmt ihm die guten Mitbewohner weg, so dass seine Schleimhaut danach weniger gut arbeiten kann und verletzbar wird. Zu viel Zucker nährt einseitig die Pilz-Bewohner des Darmes und führt zu lokalen Pilzinfektionen. Wie jedes Organ hat der Dünndarm seinen eigenen Rhythmus. Seine Freunde kennen diesen und belasten ihn nicht zur abendlichen Stunde mit schwer verdaulicher Kost. Auch der Darm braucht Ruhe und mag sich in der Nacht nicht an eiweißreicher Kost abarbeiten. Ebenso stören ihn große Mengen an Süssigkeiten und Milch.

Hügellandschaft oder Six-Pack

Die Schlingen des Dünndarms liegen direkt unter den Bauchmuskeln. Der größte Teil der Schlingen liegt rechts und links unterhalb des Bauchnabels. Somit ist die Form des Bauches nicht nur bestimmt davon, wie gut die Bachmuskeln in Form sind. Auch die Größe und Stabilität formt den Bauch. Aus Sicht des Dünndarms ist der ideale Bauch weder Senkgrube noch Waschbrett. Die Schlingen brauchen Platz und gestalten die Landschaft wie ein germanisches Hügelgrab: ein zarter weichgeschwungener Hügel mit dem Bachnabel im Gipfel. Die dynamische Ausdruckskraft des Dünndarms drückt nach aussen und vorne. Er mag nicht vom Schönheitsideal des muskulären „six-packs“ begrenzt werden.

Ausufernde Bauchlandschaften

Wird dem Dünndarm übel mitgespielt, bricht er irgendwann zusammen. Besonders ein Übermaß an Nahrungs- und Genussgiften wie Alkohol und Zucker führen schon nach kurzer Zeit dazu, dass der Dünndarm kollabiert. Er verliert seine innere Kraft und Stabilität. Die wohlgeformte Hügellandschaft bekommt Einbrüche und Vorwölbungen. Anfangs kann der große Bruder Dickdarm den Rahmen noch halten und schlimmere Deformierungen verhindern. Aber anhaltendes, dünndarmschädigendes Verhalten überfordert selbst den stärksten Dickdarm. Die männlichen Mitbürger sind bei ausufernden Bauchlandschaften doppelt benachteiligt. Da sich Fett im männlichen Körper gerne im Bereich des Bauches ansammelt, kommt zur ermüdeten Deformierung noch die Verfettung hinzu. 

Dünn- und Dickdarm gehen zusammen den Weg der Verformung. Ein hängender und in die Breite gehender Bauch ist ein Zeichen der Dünndarmermüdung. Der erschöpft-hängende Dünndarm ist ebenso eingeschränkt in seiner Unternehmenslust wie der gereizt-angespannte.

Einzigartige Wand- und Deckenfresken

Wer die Chance hat das Dünndarmrohr bei einer Endoskopie von innen zu betrachten, wird sich der Faszination der Wand-und Deckenfresken kaum entziehen können. Diese sind bis ins Detail und in erstaunliche Tiefen ausgestaltet. Die Schleimhaut würde ausgebreitet einen Tennisplatz auslegen, eine beeindruckende Aufnahmefläche. Die Schleimhaut ist vielfach eingefaltet und mit Bakterien, Viren und Pilzen besiedelt. Die Peristaltik bewegt die aufgenommene Nahrung, die Räumlichkeiten des Dünndarms und ihre Mitbewohner gleichermaßen.

Veränderungsprozesse durch Migration

Alle Stoffe, die wir in unser Inneres aufnehmen gehen entweder durch die Alveolen der Lunge oder durch die Schleimhaut des Dünndarms. Die Absorption von Sauerstoff in den Lungen erfolgt ohne nennenswerte Umwandlungsprozess. Dagegen ist der Aneignungsprozess der Nahrung im Dünndarm arbeitsintensiv. Fast nichts passiert die Dünndarmschleimhaut so, wie es im Dünndarm ankam. Seine Aufgabe besteht darin, Fremdes mit ins „Eingemachte“ zu bringen. Bei der Migration der Nahrung aus dem Inneren des Darmes in das Innere dies Blutes werden die Stoffe aufgespalten, veränderten oft auch an Transportvehikel gebunden. Der Dünndarm ist also ein Umwandlungs-Aufnahmeorgan. Im Darmhohlraum und in der Schleimhaut werden die aufzunehmenden Nahrungsstoffe verändert. Daher reagiert der Dünndarm auch empfindlich auf die Inhaltsstoffe der Nahrung. Zu viel Zucker führt zu Gärungsprozessen und Blähungen, wie sie normalerweise im Dickdarm vorkommen.Die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße werden einem Aufspaltungs- und Umwandlungsprozess unterzogen. In diesem Umwandlungsprozess wird fremde Chemie in körpereigene überführt. Dies ist nicht nur Aufgabe des Dünndarms, sie beginnt in sachten Schritten in Mund und Magen und kommt dann im Dünndarm auf Hochtouren. In der Leber und in den Körperzellen wird dieser Prozess vollendet.

Sinnesorgan

Das darmeigene Nervensinnessystem ist ein weit verzweigtes Nervensystem, das auf mechanische, elektrische und chemische Reize reagiert. Das darmeigene Nervensystem ist zudem mit dem immunologischen System vernetzt. Da allein der Dünndarm nahezu so viele Nervenzellen aufweist wie das Gehirn, spricht die populär-wissenschaftliche Literatur von einem „Bauchgehirn“. Menge und Masse ist zwar nicht alles, wenn es um Gehirne geht, aber die Dichte und Vernetzung des Enterichen Nervensystems sollte gewürdigt werden; sie spricht für komplexe Steuerungsmöglichkeiten.

Begegnungen zwischen Außen und Innen fallen in die Kategorie „Sinnesorgan“. Zwar haben wir es hier nicht mit einem klassischen Sinnesorgan wie Auge oder Ohr zu tun, aber die Wahrnehmungsbereitschaft und Sensibilität der Schleimhaut ist erstaunlich. Die Darmphysiologen bezeichnen die Dünndarmschleimhaut als „Sensor Organ“, als sensorisches Sinnesorgan.

Im Rahmen gehalten: der Dünndarm in der Organfamilie

Zum Glück wird der unternehmungslustige Dünndarm vom Dickdarm im Rahmen gehalten. Auf diesem Rahmen aufgespannt ist zudem das Zelt des grossen Netzes, des Momentum Majus. Das Zelt wärmt und beschützt den Dünndarm von vorne. Die Stabilität des Dünndarms ergibt sich aus der inneren Aktivität der Schleimhaut und der Muskeln. Sie wird unterstützt von aussen durch den Arterienfächer und den Dickdarmrahmen mit Zelt. Den Nieren und der Lendenwirbesäule hält der Dünndarm ein wärmendes und stabilisierendes Kissen vor, wenn diese müde und kalt werden. 

Juni 2024 Die Nieren – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen. Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Die Nieren

Scheu und in Wärme gehüllt

Die Nieren sind zu zweit. Da wir zwei Nieren in uns tragen können wir eine spenden. Sie sind neben den Lungen das wichtigste Organpaar. Die rechte und die linke Niere ähneln sich so sehr, dass sie als eineiige Zwillinge gelten können. Die Nieren scheuen das grelle Licht der Öffentlichkeit.Sie haben ihr Nierenlager hinter den Bauchorganen aufgeschlagen. Da liegen sie gut geschützt und versteckt. Vor allem anderen mögen es die Nieren, an einem warmen und stabilen Ort zu leben. Falls sie sich verkühlen, hilft ihnen aufsteigende Wärme eines warmen Fußbades oder eine flauschige Sofadecke. 

Eine Niere trägt zuweilen mehrere Mäntel und Schichten. Aufsteigende Wärme aus den Beinen und dem Becken tragen zum Wohl der Nieren bei. Sie meiden instinktiv kalte Ecken und zugige Flächen. Jede und jeder Motorradfahrende weiß, wie empfindsam Nieren auf zugige Kälte reagieren.

Zurückhaltend und konservativ

In der Organfamilie sind die Nieren verläßlich konservativ. Zuweilen sind sie so konservierend, dass sie auch Bestandteilen des Urins Steine bilden. Diese können dann in einer Nierenkolik abgehen. Nierenkoliken und Nierenbeckenentzündungen sind mit starken Rückenschmerzen verbunden. Mancher Verdacht auf einen Bandscheibenschmerz erweist sich als Nierenschmerz. Nierenschmerzen gehören zu den schlimmsten überhaupt.Sie lassen keine Ruhe und Gewöhnung zu. Neben den Lungen sind die Nieren die wichtigsten Ausscheidungsorgane. Ausscheiden bedeutet Abfallstoffe und Gifte, die im Körper weder verwendet noch weiter recycelt werden können, an die Umwelt abzugeben. Während die Lungen nur Kohlendioxyd abgeben, scheiden die Nieren aufgenommene Gifte sowie Stoffwechselendprodukte aus. Schafft es die Niere nicht mehr, ihre Ausscheidungsfunktion ausreichend auszuführen, sammeln sich die Gifte im Gewebe an. Es kommt zur Übersäuerung mit Schmerzen in den Gelenken und den Muskeln. Zum Glück ist eine solche Niereninsuffizienz sehr selten und erst bei starker Nierenschädigung symptomatisch.

Nierenförmig

Die Form der Niere ist ebenso ikonisch geworden wie die des Herzens. Nur Herz und Niere haben den Sprung zur globalen Organform geschafft. Nierenförmig waren modische Tische in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts (Nierentische) und sind heute die zum Verzehr bestimmte Bohnenform geworden (Sidney Jeans). Dass die Niere diese eindrückliche und vor allem stabile Form aufweist, liegt an ihrer inneren Organisation und an ihrer straffen Kapsel. Im Gegensatz zum den Blutschwämmen Leber und Milz ist die Niere kompakt mit straffen Röhrensystemen aus Arbeiten, Venen und Sammelrohren durchbaut. 

Nierenfröhlichkeit und Nierenmüdigkeit

Die Nieren sorgen dafür, dass wir aufrecht und in Freude und Fröhlichkeit durchs Leben kommen. Wer auf Herz und Nieren geprüft wurde, weiß wie es um ihn steht. Über die Hormone sorgen die Nieren für Wachstum und gute Stimmung. Nierenhormone sorgen dafür, dass genügend Blut gebildet wird und dieses großzügig und mit ausreichend Druck in der Organfamilie verteilt wird. Während unser Herz das Blut in Wallung und Bewegung hält, reinigen und beleben die Nieren dieses. Sie geben dem Blut den Esprit und den Knochen die Stärke. Werden sie müder werden wir schwermütig und kraftlos.

Zerrüttung im Nierenlager

Nieren können nicht allzu viel Umtrieb aushalten. Umzüge sind den Nieren ebenso suspekt wie das Gerüttelt und Geschüttet auf dem Fahrrad, Jahrmarkt oder Trampolin. Sie machen nur mit, wenn sich sich selbst dabei warm und stabil halten können. So empfiehlt sich der Nierenschutz nicht nur beim Motorradfahren, sondern auch in den forcierten Bewegungen des Alltags. Auch diese können zu Zerrüttungen der Nieren führen. Dann neigen diese zu Entzündungen und werden zuweilen extrem druckempfindlich und schmerzhaft. Nierenschmerz ist gemein, denn er kennt oft keine Position, in der der Schmerz nachlässt. 

Dünndarm-Kissen und Nieren-Durchfall

Von vorne gesehen werden die Nieren von ihrem besten Freud, dem Dünndarm, gestützt und gewärmt. Der Dünndarm wirkt als aufrecht stehendes Kissen; bei Müdigkeit können die Nieren sich anlehnen, bei Erschöpfung sich reinlegen. Müde und hypermobile Nieren geniessen die Stabilität des Dünndarms. Legt sich der Dünndarm aber ins Zeig für seine Nierenfreunde. Kann seine solidarische Hyperaktivität zu einem nieren-untypischen Symptom führen: Durchfall. Durchfall ist ein typisches Symptom der Hyperaktiven Muskulatur und Schleimhaut des Dünndarms. Diese Hyperaktivität muss nicht immer durch unverträgliche Speisen oder Entzündungen verursacht sein. Sie kann auch dadurch entstehen, dass der Dünndarm sich extra Mühe macht, um den Nieren zu helfen. Wie in der menschlichen Gemeinschaft ist soldarisches Handeln anstrengend. Die Niere hat die Not, der Dünndarm hilft und hat das Symptom. Der hilfreiche Dünndarm scheint dann mehr oder hörbarer zu leiden als die müden Nieren.

Flüssig und stabil

Äusserlich stabil und in Form bewegt die Niere große Mengen an Flüssigkeit und Stoffen. Um die 1500 Liter Blut fliessen am Tag durch sie hindurch; daraus produziert sie im ersten Schritt ca. 150 Liter Primärharn und bewegt ca. 1,5 kg Salze und Zucker hin und her. Am Ende werden um die 1,5 Liter Urin über die Blase abgegeben; Menge und Zusammensetzung variieren je nach Trink- und Essverhalten. Die Nieren leisten große Arbeit am Blut. Dazu brauchen sie Ruhe und Gelassenheit. Die Niere wird durch ihre Kapsel in ihrer Form und durch ihre kurze straffe Nierenarterie fest in ihrer Position gegenüber der Aorta stabilisiert. Die Kraft der Arterien macht die charakteristischen Niereneigenheiten aus: Formstabilität, Dichte des Gewebes, Aufrichtung, starke Druckschwankung bei geringer Volumenschwankung.

Wer reguliert den Ausnahmezustand?

Nur im Schock, bei Blutverlust oder Blutdruckabfall werden die Nieren benachteiligt. Sie arbeiten weiter im Sinne der Gemeinschaft, werden aber selbst von der Gemeinschaft vernachlässigt. Verlieren wir Blut, sinkt der Blutdruck auf bedrohlichen Weise ab. Die Nieren tragen dazu bei, dass die Durchblutung der lebenswichtigen Organe gewährleistet wird. Im Schock haben Herz und Gehirn höchste Priorität. Obwohl die Nieren dazu beitragen, den Ausnahmezustand zu überleben, bekommen sie selbst weniger Blut ab. Da das Nierengewebe aber empfindlich auf Sauerstoffunterversorgung reagiert, leiden die Nieren überproportional. Ihr Einsatz für das Gemeinwohl wird in der Krise nicht ausreichend vom Gesamtorganismus gewürdigt.

Wertstoffe im süßen Urin

Der Körper gibt ungern ab, was er mit viel Raffinesse gebaut hat. Blutzellen zbd Eiweiße werden ständig unter großem Aufwand in der Leber und im Knochenmark produziert. Der Körper braucht in großer Menge verbrennbare Kohlenhydrate zur Energiegewinnung. Deshalb gelangen Blutzellen, Eiweiße, Enzyme und wichtige Ionen normalerweise erst gar nicht in den Harn.

Zucker und wichtige Ionen wie Kalium und Natrium werden abgepresst und wieder zurückgewonnen. Der Harn der Zuckerkranken(süßer Fluss = Diabetes mellitus) riecht und schmeckt süßlich, was aber nicht den Nieren anzulasten. Ist. Der Überschuss an Zucker im Blut führt dazu, dass vermehrt Zucker in den Harn gelangt.

Abfall wird abgegeben

Die Niere reinigt das Blut von nicht wiederverwertbaren Abfallprodukten des Stoffwechsels. Das bei der Verarbeitung von Eiweißen und Fetten entstehende (giftige) Ammoniak wird in Harnstoff verwandelt und von den Nieren ausgeschieden. Auch die beim normalen Absterben von Zellen entstehende Harnsäure belastet in größeren Mengen den Organismus und muss dem Blut entnommen werden. Während die Lunge das Blut reinigt, indem es Kohlendioxid ausatmet, reinigt die Niere das Blut, indem es überschüssigen Harnstoff und Harnsäure, aber auch aufgenommene Umweltgifte abgibt.

Mai 2024 Das Herz zweiter Teil – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen – unseren Organen, Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Das Herz – zweiter Teil

Stromschnellen und Strudel

Je nach Anstrengung nimmt das Herz 50 bis 240 mal pro Minute Blut in sich auf und schickt dieses durch die eigene Vorraum- und Kammerarchitektur. Dabei fliesst das Blut nicht immer in ordentlich linearer Strömung. Stromschellen und Strudel kommen vor. Das liegt unter anderem daran, dass das Herz in sich wie eine Spirale organisiert ist. Die Herzmuskeln laufen in spiralig gewickelten Bündeln. Bei ihrer Kontraktion zieht sich das Herz nicht perfekt symmetrisch zusammen, sondern verbringt sich in sich selbst. Vorhof und Kammer rotieren gegeneinander wie Tänzen beim Twist. Strudel im Herzen sind dann gefürchtet, wenn sie dazu führen, dass das Blut zum Stocken und Stehen kommt. Wird Blut nicht mehr weitertransportiert, entsteht die Gefahr der Gerinnung und Bildung von Thromben. Thromben, die im linken Herzen entstehen, können dann im Gehirn zu Schlaganfällen führen.

Pulswellen

Herz und Lunge sind die offenkundig rhythmischen Organe. Ihr Rhythmus ist ohne Instrumente und medizinische Fachkenntnisse wahrzunehmen. Mit einem Ruherhythmus von 60-90 Zyklen pro Minute gibt das Herz einen erstaunlich schnellen Beat vor. Dieser Beat wird mechanisch auf den ganzen Körper übertragen.

Aufforderung zum Tanz

Neben der Anzahl der Schläge ist deren zeitlich Ordnung ein klinisch bedeutsames Kennzeichen der Herzaktivität. Das Herz ist ein guter Tanzpartner, es glänzt durch ein gutes Rhythmusgefühl und kann den Takt halten. Unregelmäßige Bewegung sind gefährlich für Herz und Mensch, da sie zu Turbulenzen im Blutfluss führen. Eine flexible Anpassung des Rhythmus auf Anstrengungen ist für ein gesundes Herz typisch. Das leistungsfähige Herz kann schnell beschleunigen, wenn nötig, und kommt dann ebenso schnell zur Ruhe, wenn möglich. Es hält das Leben im Fluss und im Takt.

Links ist stark

Der linke Herzmuskel ist deutlich dicker und kräftiger, weil er mehr gefordert wird. Für Muskeln gilt das gleiche Gesetz wie für das Gehirn: use it or loose it. Ein Muskel, der nicht benutzt wird, verkümmert; ein Muskel, der viel benutzt wird, vergrößert sich. Da das Herz nahezu nur Muskel ist, wird es bei physiologischer Belastung größer und kräftiger. Es kommt bei Sporteln vor, aber auch bei Menschen mit Bluthochdruck. Wird die Elastizität der Gefäße krankheitsbedingt so starr, dass das Herz bei jedem Schlag gegen mehr Widerstand arbeiten muss, kommt es ebenso zu einer Zunahme der Herzmuskeln. Das linke Herz ist größer, denn es pumpt gegen den hohen Widerstand der Gefäße des Körpers an. Somit stimmt die Symmetrie der populären Herzform mit den unterschiedlichen Anforderungen an die beiden Doppelhaushalten nicht überein. Die linke Herzseite erscheint deutlich kräftiger; das anatomische Herz gleicht eher einer ausgebeulten Socke als dem Herzen einer typischen Valentinskarte.

Alles elektrisch

Das Herz besteht fast ausschließlich aus Muskeln. Nun sind diese keine gewöhnlichen Muskeln: sie sind in der elektrischen Fähigkeit einzigartig im Körper. Das Außergewöhnliche der Herzmuskelzellen ist ihre Fähigkeit, sich selbst zu polarisieren. Sie können ohne äussere Stimulation ihr Zellmembranpotential verändern und sich aus eigenem Anlass kontrahieren. Einige Ansammlungen von Herzmuskelzellen haben diese depolarisierende Aktivität so stark entwickelt, dass sie zu Schrittmacherzentren werden. Das Herz kennt zwei dieser spezialisierten Schrittmacherbereiche: einen in den Vorhöfen (Sinusknoten) und einen am Übergang vom Vorhof zur Kammer (AV-Knoten).

Herzgesicht und Herzlichkeit

Wenn es ein Organ gibt, das im Alltag und im allgemeinen Sprachgebrauch ständig herangezogen wird, dann ist es das Herz. Persönliche Mitteilungen und Willkommensäußerungen beginnen oder enden mit einem Herzbezug, denn wer endet schon einen Brief mit filzigen oder darmlichen Grüßen. Herzen haben viel zu geben. Sie neigen dazu großherzig und nicht kleinmütig zu sein; gebend anstatt geizig; zugewandt anstatt angriffslustig. So nehme ich wahr, ob der Mensch dem Menschen ein Mensch oder ein Wolf ist. Wechselseitig können wir die guten Absichten erkennen und zum Anlass nehmen, die Verteidigungslinien zu lockern. In dieser Herzensleistung können Freundschaft und Solidarität entstehen. Diese Erfahrung gemeinsamer Menschlichkeit wird über die beiden Anteile des vegetativen Nervensystems, den Sympathikus und Parasympathikus, reguliert. Der Sympathikus stärkt das Gefühl von Feindschaft und macht Aggression und Verteidigung möglich; er bringt die Gefäße in Spannung und bringt das Herz in Aufregung. Der Parasympathikus trägt das Gefühl der Gemeinsamkeit und der Erfahrung, dass es uns allen in wechselseitiger Anerkennung unserer menschlichen Bedürfnisnatur besser geht. Das parasympathische Nervensystem stimmt Herz, Stimmlage und Gesichtsausdruck aufeinander ab. Die Herzlichkeit in Stimme und Gesicht des Anderen ist eine Einladung, die eigene Aufgeregtheit und Angegriffenheit des Herzens herunterzuschrauben. Das Herz kann dann Misstrauen und Abwehr in eine Geste zugewandter Freundlichkeit umwandeln. 

Herzstarre

Gerät das Herz in ausweglose Bedrängnis, beginnt es zuweilen zu flattern und es kommt zuweilen zum Infarkt. Das Herz erstarrt in der der Hypo- oder Hyoperdynamik. Im Infarkt stehen alle Räder still und die unterversorgten Herzzellen sterben ab. Der dabei entstehende Schmerz wird als Vernichtungsschmerz beschrieben: ein Elefant steht einem auf der Brust

Wo die Güte und die Liebe wohnen

Das Herz mag in Güte und Liebe leben. Ungerechtigkeit und Platzbesetzungen kann es nur schwer ertragen. Nicht ohne Grund wird mit dem Symbol des Herzens oft Mut und Gerechtigkeitssinn verbunden.Ein Löwenherz, mutiger Kämpfer für die Gerechtigkeit, zugleich verpflichtet der Fürsorge für die Armen und Kranken. Das Herz wäre Geren dieser edle Ritter und Sankt Martin; als Winnetou oder Zorro immer unterwegs im Auftrag der Liebe und der Güte. Das klingt nach Heiligenlegende und Fantasy-Literatur, aber so würde das Herz gerne sein. Wird ihm diese Dimension völlig abgesprochen oder verunmöglicht, verwelkt es. Wird es gezwungen, gegen seine eigenen Ideale und Fantasien über sich selbst zu Hansen, bricht es zusammen.

Das Herz als Spiegel und Vermittler

Im Herzen treffen zwei geschlossene vaskuläre Systeme aufeinander. Den Herzen wird damit die Aufgabe zuteil, deren verschiedene Rhythmen, Drücke und Fliesseigenschaften zu balancieren. Somit ist das Herz sowohl Rhythmusgeber als auch Vermittler von divergierenden Rhythmen; es vermittelt zwischen Lungenkreislauf und systematischem Kreislauf, zwischen Atmung und Verdauung. Es vermittelt aber auch zwischen Leber und Milz, den beiden rhythmischen Blutorganen des Bauchraums.

Herzloser Ausschluss

Eine Gemeinschaft, die nur zwingende Logik und Tag-Nacht-Gegensätze kennt, tendiert zur Tyrannei. Das Herz ist nicht entweder-oder, nicht schwarz-weiß, es ist das sozialste Organ. Während der Magen sich als wichtigstes Organ der sozialen Vermischung erweist verkörpert das Herz die Notwendigkeit menschlicher Vermittlungsarbeit. Es vermittels zisch rechts und links, zwischen venös und arteriell, zwischen Gehirn und Darm, oben und unten. Das Aussetzen der Vermittlungsarbeit ist mit der Todesdrohung verbunden.

Herzschild

Gibt es Gründe oder Ähnlichkeiten Herz und Darm in Zusammenhang zu bringen? Die chinesische Medizin kreiert Dünndarm und Herzbeutel als Organpaar in ihrem Modellpaar der Wandlungsphasen. Auch im mechanischen Blick der manuellen Medizin lassen sich gewerbliche Verbindungen zwischen Herzbeutel, Zwerchfell und Bauchfell beschreiben. Wie der Dünndarm das Bauchfell als Hülle hat, die Lungen das Brustfell, so hat das Herz den Herzbeutel. Der Herzbeutel ist ein stabile Element, das den dynamischen Aspekten Schutz, Grenze und Halt bietet.

April 2024 Das Herz erster Teil – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen – unseren Organen, Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Das Herz – erster Teil

Elektrisch, schlagkräftig, mutig

Das Herz ist kirschgefährdet; es bewohnt die Groschenromane, die Märchen und Mythen. Es gibt Anlass zum Herumflattern der Verliebten und Herzschmerz der Entleibten. Herzen brechen und Herzen krampfen; besonders empfindsame Zeitgenossen entwickeln gar Herzneurosen. Eines wird schnell klar: Das Herz ist ein Organ der Gefühle und der Kommunikation. Keine Organform ist im internationalen Gefühls-Esperanto so allgemein gebräuchlich wie das zweiteilige Herz. Über religiöse und ideologische Grenzen hinweg, von Shanghai bis San Francisco, von Kairo bis Rom, steht der Griff zum Herzen für die Kraft der Zuneigung und Verbundenheit. Großmut und Großzügigkeit haben ihn ihm einen Platz. 

Herzensgut

Das eigene Herz erlebt sich in Verbindung mit anderen Herzen, in der Freude und im Kummer. Ein glückliches Herz ist gerne herzensgut und mag die Lebensfreude besingen. Ein gesundes Herz läßt uns Berge erklimmen und Marathons rennen. Unser Herzensgut lohnt es zu bewahren. Regelmäßige und mäßige körperliche Aktivität stärken es ebenso wie fleischarme Kost. Alkohol und Nikotin stören die Fähigkeit des Herzens, für sich Sorge zu tragen. Sie verändern die Arterien, die das Herz bekränzen und versorgen. Dadurch wird die Durchblutung des Herzmuskels vermindert. Wer dann dem Herzinfarkt entgeht oder ihn überlebt, bekommt lebensrettenden Gefäßersatz, muss aber den Lebensstil drastisch änderndem die neue Chance zu nutzen. Das kranke und schwache Herz macht uns flau, müde und schwindelig; es bringt nur noch unzureichend Blut ins Gehirn. Unsere Belastungsfähigkeit läßt nach, es bringt uns beim Treppensteigen aus der Puste. In der Medizin wird das Herz an seinen wichtigsten Fähigkeiten gemessen: Blutdruck, Pulswelle und Elektrizität. Routinemäßig wird das Herz an seiner Fähigkeit, Druck zu bilden und den Rhythmus zu halten, beurteilt. Neben Darm und Gehirn ist das Herz unser wichtigstes elektrisches Organ.

Kreisverkehr des Blutes

Das Herz erscheint und der Physiologie immer mit seinem Partner: dem Kreislauf. Das Herz-Kreislauf-System besteht aus Röhren und Kammern, in denen Blut bewegt wird. Diese Anlage hat immer wieder die Phantasie der Installateure angeregt, Vergleiche mit Heizungs- oder Bewässerungssystemen zu ziehen.Im Unterschied zu einem starren Röhrensystem besteht das Herz fast ausschließlich aus Muskeln, die sich zusammenziehen und entspannen können. Im Herzen fliesst Blut. Es ist ein Blutgefäß im doppelten Sinne: es fasst das Blut in seinen Kammern und ist Transportschlauch zugleich. Unter den Blutorganen merkt man dem Herzen am deutlichsten an, dass es in einen Kreislauf eingebunden ist. Es hat Zuflüsse und Abflüsse, Klappen und Ventile, die den Fluss regeln. Das Herz ist ein umgebautes Gefäß und ein Zentrum, das von seiner Umgebung gesteuert wird.

Doppelhaushalten

Wie in der populären Herzform ist das Herz ein Zweifamilienhaus; jede Seite besteht aus einem Vorhof und einer Kammer. Der rechte Vorhof nimmt das Blut aus, das aus dem Körper ankommt: Regelmäßig klappt der Vorhof die Türen zur Kammer auf und läßt Blut dort einfließen. Die rechte Kammer reicht das Blut nicht ans linke Herz, sondern an die Lunge weiter. Die Lunge ist das einzige Organ, das die gesamte Menge des Herzausstoßes an Blut bekommt. Alle anderen Organe bekommen nur einen Teil. Dafür gibt die Lunge das Blut wieder zurück, diesmal an die andere Doppelhaushalte im linken Vorhof. Das Herz ist in den gesamten Kreislauf eingebunden, es bildet aber mit der Lunge selbst einen kleinen Kreislauf: von der rechten Herzkammer über die Lungengefäße in den linken Herzvorhof. Auch der linke Vorhof leitet das Blut aus der Lunge nach einer kurzen Phase der Aufnahme in die linke Kammer weiter. Dazu öffnet auch der Vorhof die Türen zur Kammer. Die linke Kammer verteilt dann das Blut wieder über die Aorta an den ganzen Körper.

Arbeit am Blut

Die Türen zwischen Zimmern des Herzen werden als Herzklappen bezeichnet. Sie sind wichtig, um Druck aufzubauen, den das Herz als Blutdruck bis in die Peripherie des Körpers weitergibt. Der Druck ist nötig, um die Strecke zu den weit abgelegenen Gliedern zu überwinden und am Ende in den Kapillaren genügend Kraft für die Versorgung des Gewebes aufzubringen. Beim Auswurf des Blutes aus der Kammer des linken Herzens erreicht das Blut seine volle Kraft und produziert die vom Blutdruckmessen bekannten Werte von 120 zu 80 mmHG; 120 mmHG Flüssigkeitsdruck in der Ansäannungsphase des Herzens und 80 mg HG in der Entspannungsphase. 

Herzschlag

Der Druckaufbau im Herzen wird als Schlag spürbar und messbar. Dieser Herzschlag ist mit der blossen Hand auf der Brust oder mit den Fingern am Hals und an den peripheren Arterien an Händen und Füßen wahrnehmbar. Zuweilen nehme wir in uns die Schläge wahr oder hören sie im Kopf oder Ohr. Das Herz schlägt ständig, vom ersten Herzschlag des Embryos bis zum letzten Schlag vor dem Tod. Auch schon vor der Geburt ist der Herzschlag ein Zeichen der Lebendigkeit. Das Herz schlägt das Blut nicht, sondern bewegt es. Diese blutbewegende Aktivität des Herzschlags wird als Pumpbewegung bezeichnet. Besonders Herzkranke und jene, die ihr Herz an die Leistungsgrenze belasten, sprechen öfter davon, dass die Pumpe nicht mehr mitmacht. 

Gerechte Mutter

Dem Herzen obliegt die Versorgung des ganzen Menschen. Ihm liegt das Sauerstoffbedürfnis des ganzen Körpers am Herzen. Es macht keinen Unterschied in Menge und Kraft der Blutzuteilung. Es ist die gerechte Mutter, die allen am Tisch sitzenden Kindern die gleiche Menge Liebe und Essen zukommen läßt. 

Sisyphos und Siphon

Was tut eigentlich das Herz um an Blut zu kommen. Muss ihr das Blut in Sysyphos-Manier immer wieder den Berg hoch getragen werden? Eine der beliebtesten Fehlannahmen zur Physiologie des Herz-Kreislauf-Systems ist die Vorstellung, dass durch harte Arbeit das Blut aus den Beinen gegen die Schwerkraft zum Herzen geschoben werden muss. Zum Glück und zur Freude der Installateure regiert Siphon und nicht Sisiphos das Geschehen. Im Körperkreislauf fliesst Blut nicht den Berg hinunter, sondern hinauf zum Herzen. Das liegt daran, dass der Kreislauf des Blutes wie ein Siphon im Badezimmer gebaut ist. Im Stehen gelangt das Blut über den Drucke in der gebogenen Wassersäule wieder zurück zum Herzen.

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach

Würde das Blut einfach so in den Gefäßen und im Herzen dahinfließen wie das Wasser in einem ruhigen Bach dahinplätschert, wären kaum Strömungen zu spüren und zu hören. Erst wenn der Bach die Mühle antreibt, wird das Klappern weithin hörbar. Das Herz produziert Töne dank der Klappen. Die Herzklappen werden durch den Blutstrom bewegt, sie schlagen auf und zu. Besonders beim Auf- und zugehen der Türen entstehen jene Töne, die beim Abhorchen des Herzens so interessant sind. Herzklappenfehler kann der erfahrene Kliniker oft schon an veränderten Herztönen und Fließgeräuschen erkennen. Entweder öffnet oder schließt eine Klappe nicht ausreichend. Öffnet sie nicht, versucht das Herz mit vermehrter Kraft dagegen anzupumpen. Das spitzt sich schnelle zu und das Herz gerät in Not. Dagegen kann ein fehlender Klappenschluss lange durch eine erhöhte Pumpleistung kompensiert werden und über Jahre unentdeckt bleiben.

Bekränzt

Die enorme Kraft und Leistung des Herzschlags braucht Energie, die das Herz wie jedes andere Organ dem Blut entnimmt. Das Herz versorgt sich nicht von innen durch das in ihm fliessende Blut, dazu sind nur die Leber und die Milz in der Lage. Das Herz zweigt sich einen kleinen Teil der Blutmenge für den eigenen Bedarf ab. Der Abzweig aus der Aorta bildet einen Kranz von Arterien um das Herz und versorgt den Muskel von außen. 

Herzkraft braucht Nahrung

Die meisten Organe des Körpers nutzen Glucose als Energiequell. Das Herz weicht von dieser Regel ab und geht eigene Wege. Unter normaler Belastung  in Ruheaktivität, nimmt es Fettsäuren aus dem Blut für die eigene Energiegewinnung. Bei Belastung und extremer Beanspruchung wechselt das Herz auch auf Glucose als Energieträger. 

März 2024 Die Milz – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen. Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Die Milz

Zwischen Eigenbrötelei und Egozentrik

Die Milz ist viel beschäftigt. Es gibt fast keinen Aspekt des Blutes, den die Milz nicht berührt. Sie hat mit dem Blut, den Blutzellen in der Lymphe zu tun. Dadurch wird sie sowohl als vaskuläres als auch als immunologisches Organ gehandelt. Sie ist mit der wehrhaften Abgrenzung des Individuums befasst und daher ein höchst individuelles Organ. 

Wie die Leber ist auch die Milz als Organ im Blutsystem von innen gefüllt mit Blut. Milz und Leber sind Schwester-Organe im Oberbauch, beide eng mit dem Zwerchfell verbunden. Die Leber ruht rechst auf dem Dickdarmwinkel, die Milz sitzt links dem Magen wie ein Rucksack auf. Die Milz ist kleiner als die Leber, und im Gegensatz zur venösen Fülle der Leber ist sie durch den Druck des arteriellen Systems gekennzeichnet. Die Milz bekommt ihr Blut vom Herzen wie die anderen Organe. Aber im Gegensatz zu diesen setzt sie die Blutzellen einer harten Prüfung aus. Nicht alle schaffen den Weg durch die Milz, manche halten dem Drucke nicht stand und werden aussortiert.

Wie ihre grosse Schwester auf der anderen Seite des Magens ist die Milz ein eingekesselter Gefäß-Schwamm. Bei Quetschungen der Milz kann ihre Kapsel schlimme Einblutungen in den Bauch verhindern. Bei Unfällen ist sie oft das erste Organ das reißt. Deswegen werden Unfallopfer sofort nach Blut in der Bauchhöhle untersucht.

Eine Geschichte der Loslösung

Die Geschichte der Milz ist eine der Loslösung bei Bewahrung starker Verbundenheit. Verbunden mit und doch ganz anders als der Magen wächst die Milz zuerst in enger Bindung an die Magenwand und dann aus dieser heraus. Erst nachdem sie sich aus dieser engen Bindung gelöst hat, beginnt das eigentliche Größenwachstum der Milz.

Gemeinsam in Fülle und Hunger

Wer so eng am Magen lebt, bekommt in dieser Verbundenheit auch die täglichen und aussergewöhnlichen „magendlichen“ Veränderungen mit. Die Milz wir durch die Fülle des Magens getragen und bei übermäßiger Fülle so sehr ans Zwerchfell gepresst, dass das Atmen schwer fällt und Seitenstechen entsteht. Sie nimmt aber auch an den Hungerphasen des Magens teil, sei es durch mangelbedingte Unterernährung, durch motivierten Widerstand im Hungerstreik oder durch zwanghaftes-neurotisches Selbst-Aushungern (Anorexie). Ein sich durch Hunger verkleinernder oder durch vermehrtes Erbrechen verkrümmender Magen wird die Beziehung zur Milz belasten.

Schwamm und Knäuel

Ähnlich der Leber ist die Milz ein Organ im Blutsystem und daher in ihrer Sensibilität auf das Innenleben des Körpers gerichtet. Beide regenerieren und wachsen nach. Wird bei Blutzellerkrankungen die Milz operativ extrahiert, reicht manchmal ein kleines Überbleibsel an Milz-Blutgefäßen, dass dieses zu erstaunlicher Größe nachwächst. Die Blutzufuhr der Milz ist aber im Gegensatz zur Leber rein arteriell und ihr Verhalten ist das einer Arterie: sie kreiert Druck und mag keine Schwellung. Das Schwellungsverhalten der Leber ist nicht milzkompatibel; eine geschwollene Milz ist Grund zur Besorgnis, da sie ein möglicher Hinweis auf krankhafte Prozesse ist. Die Milz verfügt wie die Leber über ein offenes Gefäß-Netzwerk, die sogenannte offene Zirkulation der Milz- und Lebersinusse. In ihrer Schwammstruktur gleicht die Milz der Leber. Da der Milz-Schwamm aber aus einem arteriellen Knäuel entsteht, sind hier Ähnlichkeiten zur ebenso arteriellen Organisation der Niere offensichtliche.

Rot-weiß ist ihre Fahne

Gäbe es einen Milz-Fußballverein, wären seine Vereinsfarben rot-weiß. Das Milzinnere läßt weiße und rote Gebiete erkennen. Diese entstehen durch die Anwesenheit von roten und weißen Blutkörperchen. In den weißen Gegenden befinden sich Lymphozyten und Fresszellen. Die Milz ist so stark von den Zellen des lymphatischen Systems besiedelt, dass sie auch als größter Lymphknoten des Körpers bezeichnet wird. In der Milz wie in den Lymphknoten treffen die Zellen des Immunsystems auf die von aussen kommenden Erreger. Im Idealfall werden diese Eindringlinge dingfest gemacht und erkennungsdienstlich behandelt. Stellt sich nach der Festnahme heraus, dass sie dem Körper schaden wollen, werden sie von den Fresszellen aufgefuttert und von den Lymphknoten unschädlich gemacht. Da Lymphozyten im lymphatischen System und im Blut zirkulieren, kommt es vor, dass Lymphozyten aus dem Dünndarm auch in der Milz landen und umgekehrt. So kommuniziert das Immunsystem der Darmschleimhaut mit der Milz.

Friedhof der roten Blutkörperchen

In den roten Gebieten sammeln sich die roten Blutzellen. Diese werden in der Milz auf ihre elastische Verformbarkeit und Belastbarkeit getestet. Da sich Erythrozyten durch allerkleinste Gefäße durchzwängen müssen, sollten sie unbedingt elastisch sein. Die Milz bringt die roten Blutkörperchen unter Verformungsstress. Die Gesunden unter ihnen überstehen die Prozedur, die kranken und alten werden aus dem Verkehr gezogen und abgebaut. Die Abbauprodukte werden als Wertstoffe behandelt und recycelt. Die Eisenmoleküle finden in der Leber und im Knochenmark erneut Verwendung.

Ewiges hin und her zwischen zwei Blutschwamm-Schwestern

Die Abbauprodukte der Milz sind eine direkte Vorlage für die Leber. Stauungen In der Leber machen sich in der Milz sofort bemerkbar und können in Extremfällen auch zu Milzschwellungen führen. So geben sich Milz und Leber ständig Ewas zu tun. Die verrückten Ideen der Milz muss die Leber ausbaden.Gestaute Lebergefühle machen der Milz Druck und stören ihren Freiheitsdrang. Ein ewiges Hin und Her, in dem die beiden einander ihre Sorgen mitteilen und Arbeitsaufträge erteilen. Die beiden sind direkt verbunden über den venösen Weg der Pfortader. Vermittelt über das Herz und die arteriellen Wege gelangt leber-bearbeitetes Blut zur Milz. Im Dreieck zwischen Leber, Herz und Milz liegt der Magen. Der Magen verbindet und trennt die beiden Blutschwamm-Schwestern des Oberbauches.

Lachen und Singen

Die Gefäße der Milz können sich rhythmisch kontrahieren. Die Milz wird aber auch durch die Bewegungen der Lungen und des Zwerchfells bewegt. Wer tief einatmet, mobilisiert die Milz. Auch Lachen und Singen bringt die Milz ins Schwingen.Endloser Redefluss stellt eine anhaltende Vibration für das Gewebe der Milz dar. Dieser stimulierende Redeschwall ist für die zuhörenden Mitmenschen oft schwer auszuhalten. Der Milz ist er aber eine angenehme Massage.

Ticks und Spleens

Die Milz ist ein Paradebeispiel der lokalen Autonomie. Sie verrichtet ihre Arbeit an den Blutzellen weitgehend ohne äußern hormonelle Einflüsse. Sie verfügt über autorhythmische Kontraktion und regelt ihren inneren Stoffwechsel weitgehend selbst. Unkontrollierte und unpassende Eigenbewegungen können zu Ticks werden. Eigenartige Verhaltensweisen enden, wenn sie nicht balanciert und eingebunden werden, im Spleen. Spleen ist der lateinische Name der Milz.

Milzpubertät

Ausgerechnet in der Konflikten der Pubertät trifft die Milz das Pfeiffersche Drüsenfieber. In dieser Phase stellt sich nicht nur die Milz, sondern auch die Umgebung öfter die Frage: Internat oder Auslandsjahr? Die Milz verkörpert als Organe der flüssigen und festen Blutqualitäten eine fulminante Bejahung der leiblichen und auch fleischlichen Seite unserer Menschlichkeit. 

Eingebundene Individualistin

Die Milz ist der Rucksack des Magens. Magen und Milz haben enge gemeinsame Freunde. Beide sind mit dem Zwerchfell verbunden und werden durch dieses rhythmisch dynamisiert. Beide nutzen den linken Teil des Querdarms als Hängematte oder balkonartige Stütze. Beide unterhalten, auf unterschiedliche Weise, eine enge Freundschaft mit der Leber. Das Herz spielt eine zentrale Vermittlungsrolle in diesem Beziehungsgeflecht aus Bindegewebe, Gefäßen und Blut. Ohne die Vermittlungsarbeit des Herzens würden die Organe des Oberbauchs schwerlich miteinander auskommen.