April 2024 Das Herz erster Teil – Organbeschreibungen der etwas anderen Art

In diesem Jahr möchte ich sie mit den schillernden Persönlichkeiten in unserem Leben vertraut machen – unseren Organen, Die herrlichen Beschreibungen stammen von Peter Levin (Soziologe, Religionswissenschaftler und Osteopath) aus seinem Buch „Deine Organe Dein Leben“

Das Herz – erster Teil

Elektrisch, schlagkräftig, mutig

Das Herz ist kirschgefährdet; es bewohnt die Groschenromane, die Märchen und Mythen. Es gibt Anlass zum Herumflattern der Verliebten und Herzschmerz der Entleibten. Herzen brechen und Herzen krampfen; besonders empfindsame Zeitgenossen entwickeln gar Herzneurosen. Eines wird schnell klar: Das Herz ist ein Organ der Gefühle und der Kommunikation. Keine Organform ist im internationalen Gefühls-Esperanto so allgemein gebräuchlich wie das zweiteilige Herz. Über religiöse und ideologische Grenzen hinweg, von Shanghai bis San Francisco, von Kairo bis Rom, steht der Griff zum Herzen für die Kraft der Zuneigung und Verbundenheit. Großmut und Großzügigkeit haben ihn ihm einen Platz. 

Herzensgut

Das eigene Herz erlebt sich in Verbindung mit anderen Herzen, in der Freude und im Kummer. Ein glückliches Herz ist gerne herzensgut und mag die Lebensfreude besingen. Ein gesundes Herz läßt uns Berge erklimmen und Marathons rennen. Unser Herzensgut lohnt es zu bewahren. Regelmäßige und mäßige körperliche Aktivität stärken es ebenso wie fleischarme Kost. Alkohol und Nikotin stören die Fähigkeit des Herzens, für sich Sorge zu tragen. Sie verändern die Arterien, die das Herz bekränzen und versorgen. Dadurch wird die Durchblutung des Herzmuskels vermindert. Wer dann dem Herzinfarkt entgeht oder ihn überlebt, bekommt lebensrettenden Gefäßersatz, muss aber den Lebensstil drastisch änderndem die neue Chance zu nutzen. Das kranke und schwache Herz macht uns flau, müde und schwindelig; es bringt nur noch unzureichend Blut ins Gehirn. Unsere Belastungsfähigkeit läßt nach, es bringt uns beim Treppensteigen aus der Puste. In der Medizin wird das Herz an seinen wichtigsten Fähigkeiten gemessen: Blutdruck, Pulswelle und Elektrizität. Routinemäßig wird das Herz an seiner Fähigkeit, Druck zu bilden und den Rhythmus zu halten, beurteilt. Neben Darm und Gehirn ist das Herz unser wichtigstes elektrisches Organ.

Kreisverkehr des Blutes

Das Herz erscheint und der Physiologie immer mit seinem Partner: dem Kreislauf. Das Herz-Kreislauf-System besteht aus Röhren und Kammern, in denen Blut bewegt wird. Diese Anlage hat immer wieder die Phantasie der Installateure angeregt, Vergleiche mit Heizungs- oder Bewässerungssystemen zu ziehen.Im Unterschied zu einem starren Röhrensystem besteht das Herz fast ausschließlich aus Muskeln, die sich zusammenziehen und entspannen können. Im Herzen fliesst Blut. Es ist ein Blutgefäß im doppelten Sinne: es fasst das Blut in seinen Kammern und ist Transportschlauch zugleich. Unter den Blutorganen merkt man dem Herzen am deutlichsten an, dass es in einen Kreislauf eingebunden ist. Es hat Zuflüsse und Abflüsse, Klappen und Ventile, die den Fluss regeln. Das Herz ist ein umgebautes Gefäß und ein Zentrum, das von seiner Umgebung gesteuert wird.

Doppelhaushalten

Wie in der populären Herzform ist das Herz ein Zweifamilienhaus; jede Seite besteht aus einem Vorhof und einer Kammer. Der rechte Vorhof nimmt das Blut aus, das aus dem Körper ankommt: Regelmäßig klappt der Vorhof die Türen zur Kammer auf und läßt Blut dort einfließen. Die rechte Kammer reicht das Blut nicht ans linke Herz, sondern an die Lunge weiter. Die Lunge ist das einzige Organ, das die gesamte Menge des Herzausstoßes an Blut bekommt. Alle anderen Organe bekommen nur einen Teil. Dafür gibt die Lunge das Blut wieder zurück, diesmal an die andere Doppelhaushalte im linken Vorhof. Das Herz ist in den gesamten Kreislauf eingebunden, es bildet aber mit der Lunge selbst einen kleinen Kreislauf: von der rechten Herzkammer über die Lungengefäße in den linken Herzvorhof. Auch der linke Vorhof leitet das Blut aus der Lunge nach einer kurzen Phase der Aufnahme in die linke Kammer weiter. Dazu öffnet auch der Vorhof die Türen zur Kammer. Die linke Kammer verteilt dann das Blut wieder über die Aorta an den ganzen Körper.

Arbeit am Blut

Die Türen zwischen Zimmern des Herzen werden als Herzklappen bezeichnet. Sie sind wichtig, um Druck aufzubauen, den das Herz als Blutdruck bis in die Peripherie des Körpers weitergibt. Der Druck ist nötig, um die Strecke zu den weit abgelegenen Gliedern zu überwinden und am Ende in den Kapillaren genügend Kraft für die Versorgung des Gewebes aufzubringen. Beim Auswurf des Blutes aus der Kammer des linken Herzens erreicht das Blut seine volle Kraft und produziert die vom Blutdruckmessen bekannten Werte von 120 zu 80 mmHG; 120 mmHG Flüssigkeitsdruck in der Ansäannungsphase des Herzens und 80 mg HG in der Entspannungsphase. 

Herzschlag

Der Druckaufbau im Herzen wird als Schlag spürbar und messbar. Dieser Herzschlag ist mit der blossen Hand auf der Brust oder mit den Fingern am Hals und an den peripheren Arterien an Händen und Füßen wahrnehmbar. Zuweilen nehme wir in uns die Schläge wahr oder hören sie im Kopf oder Ohr. Das Herz schlägt ständig, vom ersten Herzschlag des Embryos bis zum letzten Schlag vor dem Tod. Auch schon vor der Geburt ist der Herzschlag ein Zeichen der Lebendigkeit. Das Herz schlägt das Blut nicht, sondern bewegt es. Diese blutbewegende Aktivität des Herzschlags wird als Pumpbewegung bezeichnet. Besonders Herzkranke und jene, die ihr Herz an die Leistungsgrenze belasten, sprechen öfter davon, dass die Pumpe nicht mehr mitmacht. 

Gerechte Mutter

Dem Herzen obliegt die Versorgung des ganzen Menschen. Ihm liegt das Sauerstoffbedürfnis des ganzen Körpers am Herzen. Es macht keinen Unterschied in Menge und Kraft der Blutzuteilung. Es ist die gerechte Mutter, die allen am Tisch sitzenden Kindern die gleiche Menge Liebe und Essen zukommen läßt. 

Sisyphos und Siphon

Was tut eigentlich das Herz um an Blut zu kommen. Muss ihr das Blut in Sysyphos-Manier immer wieder den Berg hoch getragen werden? Eine der beliebtesten Fehlannahmen zur Physiologie des Herz-Kreislauf-Systems ist die Vorstellung, dass durch harte Arbeit das Blut aus den Beinen gegen die Schwerkraft zum Herzen geschoben werden muss. Zum Glück und zur Freude der Installateure regiert Siphon und nicht Sisiphos das Geschehen. Im Körperkreislauf fliesst Blut nicht den Berg hinunter, sondern hinauf zum Herzen. Das liegt daran, dass der Kreislauf des Blutes wie ein Siphon im Badezimmer gebaut ist. Im Stehen gelangt das Blut über den Drucke in der gebogenen Wassersäule wieder zurück zum Herzen.

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach

Würde das Blut einfach so in den Gefäßen und im Herzen dahinfließen wie das Wasser in einem ruhigen Bach dahinplätschert, wären kaum Strömungen zu spüren und zu hören. Erst wenn der Bach die Mühle antreibt, wird das Klappern weithin hörbar. Das Herz produziert Töne dank der Klappen. Die Herzklappen werden durch den Blutstrom bewegt, sie schlagen auf und zu. Besonders beim Auf- und zugehen der Türen entstehen jene Töne, die beim Abhorchen des Herzens so interessant sind. Herzklappenfehler kann der erfahrene Kliniker oft schon an veränderten Herztönen und Fließgeräuschen erkennen. Entweder öffnet oder schließt eine Klappe nicht ausreichend. Öffnet sie nicht, versucht das Herz mit vermehrter Kraft dagegen anzupumpen. Das spitzt sich schnelle zu und das Herz gerät in Not. Dagegen kann ein fehlender Klappenschluss lange durch eine erhöhte Pumpleistung kompensiert werden und über Jahre unentdeckt bleiben.

Bekränzt

Die enorme Kraft und Leistung des Herzschlags braucht Energie, die das Herz wie jedes andere Organ dem Blut entnimmt. Das Herz versorgt sich nicht von innen durch das in ihm fliessende Blut, dazu sind nur die Leber und die Milz in der Lage. Das Herz zweigt sich einen kleinen Teil der Blutmenge für den eigenen Bedarf ab. Der Abzweig aus der Aorta bildet einen Kranz von Arterien um das Herz und versorgt den Muskel von außen. 

Herzkraft braucht Nahrung

Die meisten Organe des Körpers nutzen Glucose als Energiequell. Das Herz weicht von dieser Regel ab und geht eigene Wege. Unter normaler Belastung  in Ruheaktivität, nimmt es Fettsäuren aus dem Blut für die eigene Energiegewinnung. Bei Belastung und extremer Beanspruchung wechselt das Herz auch auf Glucose als Energieträger.